«Don Carlos» mit nackten Leichen

Hans Uli von Erlach, Blick (28.11.2006)

Don Carlos / Don Carlo, 26.11.2006, Basel

Verdis Oper vom Spanienprinzen «Don Carlos» ist ein Drama um Macht und Terror. Der spanische Regisseur Calixto Bieito nimmt das wörtlich und inszeniert eine blutige, grelle Realityshow. Premiere war am Sonntag im Theater Basel.

Die Sänger sind grossartig, das Orchester unter Balácz Kocsár spielt Verdi in schönsten Schattierungen. Der Rest ist Entsetzen.

Kein Kostüm ohne Blut, der ungeliebte Diktator, König Philipp II., vergewaltigt Gattin Elisabeth im Takt der schönsten Arie, das heimliche Liebesduett Carlos & Königin moderiert Prinzessin Eboli, ordinär wie eine Dragqueen, als Talkshow.

Ihre grösste Arie singt sie auf dem Bauch. Carlos, ein Schwächling, ist seinen freiheitlichen Visionen nicht gewachsen. Dazu herrscht die Inquisition, das oberste katholische Gericht, dem selbst der König hörig ist. Anders- denkende lässt er nackt knien und vom schwarzen Engel töten. Schliesslich liegen nackte Leichen auf der Bühne rum. Auch Rodrigo, der Freiheitskämpfer.

Trotz Provokation und abstossender Szenen bis an die Grenze des Erträglichen: Die Aufführung erschüttert.

Weil sie die Niedertracht nicht als Wohlklang kaschiert, sondern sie surrealistisch überhöht. Weil sie nicht plump schockiert, sondern handwerklich hohes Niveau hat. Weil das hervorragende Sänger-Ensemble hervorragend schauspielert und Schiller (ursprünglicher Textlieferant) und Verdi in ihrer Tiefe konsequent ergründet.