Auf dem Mittelweg in die Leere

Christian Berzins, Aargauer Zeitung (18.01.2005)

Ariane et Barbe-Bleue, 16.01.2005, Zürich

Rarität: Paul Dukas´ «Ariane et Barbe-Bleu» erstmals am Opernhaus Zürich

Dieser König Blaubart! Obwohl oft von den Dichtern besungen, immer wieder mal von den Komponisten mit Tönen beschenkt, ist er doch ein grosses Rätsel geblieben. Frauen hält er in seinem Schloss gefangen, immer noch schönere zieht er an. Paul Dukas (1813-1935) setzte eine Blaubart-Dichtung von Maurice Maeterlinck in Töne um. Erstaunlicherweise wurde das Werk am Opernhaus Zürich noch nie gezeigt. Dirigent John Eliot Gardiner konnte den Intendanten nun überzeugen, «Ariane et Barbe-Bleu» auf den Spielplan zu setzen.

Wer französische Parfumklänge erwartet, liegt falsch: Dukas hat sie nicht komponiert und Gardiner begibt sich klanglich nicht auf klischierte Klangkissen. Schroff klingt es bisweilen, aber immer zielgerichtet. Effekte scheint es in dieser theatralen Musik bei Gardiner gar nicht zu geben. Gardiner geniesst auch die stillen Momente. Wenn Stimmungen über Minuten gehalten werden, webt er fein, und auch die grossen Klangmassen hat er unter Kontrolle.

Dafür dankt ihm vor allem die Schweizer Mezzosopranistin Yvonne Naef: Sie meistert die Riesenpartie bravourös. Zwei Stunden steht sie auf der Bühne, singt im 2. Akt unter Daueranspannung und im 3. Akt rührende Piani. Barbe-Bleu (Cheyne Davidson), Amme (Liliana Nikiteanu) und die fünf Frauen sind aktive Stichwortgeber.

Mit Realismus gegen die Symbolik?

Soll man der Symbolik mit noch mehr Symbolen begegnen oder dieses rätselhafte Spiel konkret aufschlüsseln? Regisseur Claus Guth und Bühnenbildner Christian Schmidt suchen den Mittelweg - und laufen darauf ins Leere. Zweifellos zeigen sie unterwegs Aufregendes und Sinnstiftendes. Doch was weiss man zum Schluss über die Figuren, über die Handlung?

Schluss und Beginn sind allerdings famos. Ein projiziertes, biederes Einfamilienhaus ist zu sehen: Man kann förmlich riechen, welche Perversionen hinter der Fassade herrschen. Doch Guth belässt es bei der Fantasie: Einmal drinnen, gilt es, Klarheit zu kriegen, was sich hinter der siebten Tür, zu der Blaubart den Zugang verwehrt, verbirgt. Rasch sind die ersten sechs Türen offen, ohne dass ersichtlich wird, was wirklich dahinter steckt. Dann gehts in den Keller, wo die Frauen eingesperrt sind. Die Zeit hinter den hölzernen Kellertüren hat sie etwas verstört, doch bald haben sie sich von ihren Zwängen gelöst. Genau dann bringen die Bauern den gefesselten Peiniger Blaubart ins Haus. Die Frauen sind gerührt - und bleiben bei ihm. Die Befreiung, in der Guth eine Heilung sieht, misslingt.

Allein Ariane macht eine Wandlung und entschwindet dem Haus. Warum? Guth sagt es nicht. - Dann steht es wieder da, dieses Einfamilienhaus: bereit für neue Unheimlichkeiten. Und die Inszenierung könnte beginnen.