Roger Cahn, Blick (18.01.2005)
Diese Ausgrabung lohnt sich: ein fesselndes Libretto, eine intelligente Inszenierung, hervorragend gesungen und musiziert. Paul Dukas' «Ariane et Barbe-Bleu» im Zürcher Opernhaus fasziniert und macht betroffen. Premiere war am Sonntag.
Das alte Märchen vom brutalen Herzog Blaubart, der Frauen heiratet und dann auf seiner Burg ermordet, liegt diesem Libretto von Maurice Maeterlinck zugrunde. Der französische Dichter stellt in seiner Version eine starke Frau ins Zentrum: die schöne, selbstbewusste Ariane. Sie hat nur ein Ziel: Barbe-Bleu, den Mann, den sie liebt, in die Knie zu zwingen und die von ihm missbrauchten Frauen zu befreien - ein erfolgreicher Kampf gegen Sklaverei in der Ehe.
Regisseur Claus Guth verfällt nicht der Gefahr, ein Emanzenstück zu inszenieren. Vielmehr stellt er die sensiblen Seiten seiner Ariane in den Vordergrund und macht deutlich, dass sich Gewalt oft hinter unscheinbaren Fassaden verbirgt. Schauplatz des Grauens ist ein bürgerliches Einfamilienhaus, das überall stehen könnte.
Die Essenz des Stückes - nur, wer sich selbst befreit, kann wirklich frei sein - wird durch die Unmittelbarkeit des Geschehens noch deutlicher spürbar. Zudem gelingt es, durch ein schematisch-ästhetisches Bühnenbild die Spannung zwischen symbolischer und realistischer Ebene stets aufrecht zu halten.
Die Oper steht und fällt mit der Besetzung der Titelheldin. Und da ist die Schweizer Sopranistin Yvonne Naef ein Glücksfall. Stimmlich bewältigt sie die grosse Partie mit Bravour. Schauspielerisch setzt sie perfekt um, was die Rolle zu bieten hat: feste Überzeugung, eisernen Willen, Sensibilität.
Das Orchester der Oper Zürich zeigt sich von seiner besten Seite. Kein Wunder, steht doch einer der forderndsten Dirigenten am Pult: John Eliot Gardiner. Er ringt dem sperrigen Werk alle Facetten ab, haucht der über weite Strecken an Filmmusik gemahnenden Partitur Leben und scharfe Konturen ein. Da stimmt jedes Detail.
Fazit: Kein kulinarischer Opernabend - die Musik ist schwer verdaulich und die Handlung geht unter die Haut.