Musik wie an der Chilbi

Roger Cahn, Blick (28.09.2004)

Stiffelio, 26.09.2004, Zürich

«Stiffelio»-Premiere im Opernhaus

Zwei Weltstars - Tenor José Cura und Bariton Leo Nucci - retten eine schwache Oper von Giuseppe Verdi. Das Publikum bejubelt Parforce-Leistungen der Sänger. Premiere war am Sonntag.

Es ist ein Spiel um Liebe und Ehre vor dem Hintergrund religiöser Heuchelei. Stiffelio, Führer einer protestantischen Sekte, verarbeitet den Treuebruch seiner Gattin, indem er Gefühl und Pflicht in Einklang zu bringen versucht.

Bei diesem Unterfangen kommen ihm alle Beteiligten in die Quere. Jeder versucht, das Problem mit den ihm angemessen scheinenden Mitteln zu lösen. Übersteigertes Ehrgefühl des Schwiegervaters beendet schliesslich das grausame Spiel der Emotionen mit Mord. Die Heuchelei obsiegt.

Schade, dass Verdi für diesen Stoff nicht die passende Musik komponiert hat. Unter Zeitdruck - er musste unbedingt «Rigoletto» für Venedig fertig machen - klingen einige wirkungsvolle Themen an, die Psychologie der Figuren ist oberflächlich. Schon bei der Ouvertüre wird klar: Hier gibts bestenfalls «Chilbimusik mit Niveau». Fehlender Tiefgang und der Mangel an grossen Arien sind mit ein Grund, weshalb «Stiffelio» in Vergessenheit geraten ist.

Stefano Ranzani am Pult tut herzlich wenig, um diesen Eindruck Lüge zu strafen. Er dirigiert laut, schnell, undifferenziert. Die Abstimmung zwischen Graben und Bühne wackelt teils bedenklich; die Sänger brüllen, um das Orchester zu übertönen. Zwischentöne, die echte Gefühle und nicht nur Wut oder Rache ausdrücken, gibts nicht.

Dabei gelingt Regisseur Cesare Lievi eine stimmige Inszenierung. Der massive Kirchenbau betont die Macht der Religion als «Opium des Volkes». Lievi reduziert auch geschickt das für italienische Opern typische Rampensingen und zeichnet die Personen so genau wie möglich - mehr der Handlung folgend als der Musik.

Fazit: Das Beste an «Stiffelio» ist, dass die Oper nach zweieinhalb Stunden zu Ende ist. Pause inbegriffen.