Renaissance der Operette?

Marianne Zelger-Vogt, Neue Zürcher Zeitung (06.09.2004)

Der Opernball, 03.09.2004, Winterthur

Beschwingt und erheiternd sollte der Beitrag des Zürcher Opernhauses zum 25. Geburtstag des Winterthurer Theaters am Stadtgarten sein. Liegt es am Stück oder an der Inszenierung, dass auf Heubergers «Opernball» eher flaue Stimmung herrscht?

«Gehn wir ins Chambre séparée» - diesem Schlager hat es Richard Heubergers Operette «Der Opernball» zu verdanken, dass sie zumindest dem Titel nach noch immer bekannt ist. Nicht nur musikalisch, auch dramaturgisch bildet das verführerische Duettino das Herzstück des Werks. Im ersten Akt geht es darum, den Ballbesuch vorzubereiten. Da die raffinierte Marguerite (Christiane Kohl) ihrer gutgläubigen Freundin Angèle die Untreue ihres Gatten beweisen will, schicken sie den beiden Ehemännern übers Kreuz anonyme Einladungsbriefe - ein «Così fan tutte»-Experiment unter umgekehrten Vorzeichen. Und schon lässt sich Paul mittels einer Depesche in dringenden geschäftlichen Angelegenheiten wegrufen. Das Zusammentreffen auf dem Ball kompliziert sich, weil die Herren nicht nur zwei, sondern drei rosa Dominos vorfinden - auch das Kammermädchen hat Lust auf ein Abenteuer bekommen und ihren jungen Verehrer Henri (Katharina Peetz) herbestellt. Als weiterer Gast erscheint der seinem häuslichen Drachen entfliehende Geizhals Beaubuisson. Da die verfügbaren Séparées schon besetzt sind, gerät der durchtriebene Oberkellner Philippe arg ins Schwitzen. Begreiflich, dass es einigen Aufwand erfordert, die Intrige im dritten Akt aufzuklären. Und einen Gefängniswärter Frosch wie in der «Fledermaus», auf die Heuberger und seine Librettisten gefährlich oft rekurrieren, gibt es nicht und somit auch keinen neuen Energieschub.

Keine leichte Aufgabe für den Regisseur Helmuth Lohner. Er behilft sich mit einigen musikalischen Einlagen und textlichen Retuschen, vor allem aber mit Routine: Operette wie anno dazumal, ohne Ironie und Augenzwinkern, dafür mit viel Handgreiflichkeit. Ein Glück, dass sich das Hauptopfer, die Kammerzofe Hortense, dank der darstellerischen und vokalen Agilität Eva Liebaus zur Wehr zu setzen weiss. Überhaupt lässt das Ensemble wenig zu wünschen übrig, sieht man von der mangelhaften Stimmführung Daniel Kirchs (Duménil) ab. Besonders markante Rollenporträts steuern Altmeister Waldemar Kmentt als Beaubuisson und Renate Steiger als dessen Gattin bei. Einen urwienerischen Pariser Oberkellner gibt Herbert Prikopa. Deon van der Walt verleiht dem biederen Lebemann Aubier nicht nur tenorale, sondern auch komödiantische Souplesse, während Noëmi Nadelmann, stimmlich nicht optimal disponiert, etwas forciert die naive Provinzlerin mimt. Das Orchester Musikkollegium Winterthur wagt sich unter Theodor Guschlbauers Leitung beherzt und spielfreudig auf das Feld der leichten Muse, lässt aber keine Funken sprühen. Dies bleibt den Bühnenbildern von William Orlandi vorbehalten - einem neubarocken Salon und einem spontan beklatschten Theaterfoyer mit Logentüren. Die Ausstattung dürfte auch im Zürcher Opernhaus Effekt machen, wo Heubergers Operette nach der Winterthurer Aufführungsserie ab dem 12. September in gleicher Besetzung nachgespielt wird, zu wesentlich höheren Preisen.