Muff brilliert als Ochs

Fritz Schaub, Neue Luzerner Zeitung (06.07.2004)

Der Rosenkavalier, 04.07.2004, Zürich

Schnörkellos ist der «Rosenkavalier» am Zürcher Opernhaus inszeniert. Opulente Kost hingegen bieten Sänger und Orchester.

Amouröse Rokoko-Intrigen aus der Sicht der letzten Jahrhundertwende versprach die letzte Saison-Premiere am Samstag im Zürcher Opernhaus. Denn der «Rosenkavalier» von Richard Strauss (Musik) erzählt nicht nur die hoch emotionale Geschichte der altersweisen Feldmarschallin, die zu Gunsten der jungen Sophie auf ihren jüngeren Liebhaber Octavian verzichtet. Mit den Intrigen, die dem lüsternen Baron von Ochs eine Lektion erteilen, bietet sie auch überbordende Operetten-Wirren, die dank der hervorragenden Leistung des Luzerner Sängers Alfred Muff in der Rolle des Barons ein Höhepunkt des Abends sind.

Ambitionen des Hoteliers

Ansonsten hebt sich die Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf von einschlägigen Regietraditionen ab. Statt verschnörkelter Luxus-Interieurs herrschen klare Linien und Flächen vor: eine hohe, weite Glaswand im ersten und dritten Akt, eine monumentale Küche im Mittelakt. Sie deutet darauf, dass der neureiche Herr von Faninal, der sich durch die Verheiratung seiner Tochter Sophie mit Baron Ochs Eingang in die höheren Gesellschaftsschichten erhofft, einem riesigen Hotelbetrieb vorsteht.

Prunk der Musik

Im Mittelakt weichen Bechtolf, Rolf Glittenberg (Bühnenbild) und Marianne Glittenberg (Kostüme) am stärksten vom Regiemodell ab, das während Jahrzehnten die Aufführungspraxis dieser Oper bestimmt hat. In diesem Modell erreichte jeweils mit dem musikalischen Prunk der Überreichung der silbernen Rose durch den Rosenkavalier Octavian auch der äussere Prunk mit dem Palais des Herrn von Faninal seinen Höhepunkt. In der Zürcher Neuinszenierung bleibts beim musikalischen Prunk. Das Orchester der Oper Zürich unter Rückkehrer Franz Welser-Möst läuft vom Vorspiel weg mächtig auf Touren und entwickelt einen unwiderstehlichen Sog, der die artifizielle wie bodenständig auftrumpfende Partitur bis in Details belebt und klanglich auf Hochglanz poliert.

Vom Publikum gefeiert

Auch die psychologische Personenführung überzeugt in diesen beiden Akten. Nina Stemme ist eine ausgesprochen jugendliche Feldmarschallin und doch ahnt sie von Anfang an, dass sie einer jüngeren wird Platz machen müssen. Dass sie im dritten Akt, nachdem sie Sophie und Octavian zusammengeführt hat, für einen Moment zusammenbricht, bringt sie uns menschlich näher. Die schwedische Sopranistin singt nicht nur schön, sondern auch mit Empfindung und vorzüglicher Diktion. Letzteres ist auch ein Plus von Alfred Muffs Baron Ochs. Muff macht den Altersunterschied zu Nina Stemmes Feldmarschallin, mit der er vom Publikum begeistert gefeiert wurde, durch das souveräne Spiel und den sonoren Wohllaut seines Bassbaritons wett.

Alles in allem ist dieser «Rosenkavalier» ein musikalischer Leckerbissen mit präzise geführten und herausragend singenden Solisten.