Rosen in der glänzenden Küche

Walter Dobner, Die Presse (14.07.2004)

Der Rosenkavalier, 04.07.2004, Zürich

Franz Welser-Möst und Sven-Eric Bechtolf nehmen Strauss und Hofmannsthal beim Wort. Ergebnis: Ein "Rosenkavalier" als durchdachte "Komödie für Musik".

Als Beitrag zu den Zürcher Festwo chen hat man sich an der dortigen Oper für eine Neuinszenierung des "Rosenkavalier" entschieden. Mit einem Leading-Team, das schon zuvor mit Erfolg zusammen gearbeitet hat: dem früheren Musikdirektor Franz Welser-Möst und Sven-Eric Bechtolf. Nicht Aktualisierung wird angestrebt, sondern genaue Realisierung des Sujets, was Originalität und Aufreißen neuer Perspektiven nicht ausschließt - wie diese Produktion beweist.

Schon die Einstiegsszenerie frappiert: kein prunkvolles Zimmer mit Bett. Statt dessen führt das stilvolle Bühnenbild (Rolf Glittenberg) in eine Orangerie. Einige Bäume ragen hoch empor, an der rechten Szene finden sich Vögel, davor eine einfache Matratze. Bald bevölkern exotisch gekleidete Diener das Bild. Der Auftritt des in einer Schachtel vorgeführten Sängers - schließlich handelt es sich um ein Präsent - erinnert an den aus Maria Theresias Zeit stammenden "Schachtürken" von Kempelen.

Betont automatisiert und bewusst nicht auf Schönklang konzentriert absolviert Boiko Zvetanov seinen Part. Weil Baron Ochs wenigstens nicht ausschließt, dass Leopold Produkt eines Seitensprungs sein könnte, erscheinen beide im gleichen Kostüm (Marianne Glittenberg).

Dem von dezentem Weiß und einer hoch aufragenden Fensterfront dominierten Orangerie-Bild begegnet man auch im Schlussakt. Bechtolf spannt damit den Bogen zum Beginn, kann auf das übliche, die Atmosphäre nicht selten störende Gasthof-Ambiente verzichten. So macht er auch den Intermezzo-Charakter des mittleren Aktes deutlich. Hier beweist Glittenberg die größte Originalität: Er lässt ihn in der blank geputzten Küche des reichen Faninal spielen. Damit kommt das Komödiantische der Auftritte besonders zum Tragen. Die zuweilen zum sterilen Zeremoniell erstarrte Rosenüberreichung erhält eine persönliche Note, auch Baron Ochs kann seine ungeschlachte Art ungekünstelter als sonst ausleben.

Nicht nur subtile Zeichnung der Orte und detailreiche Führung der Personen, die im Schlussterzett ihren emotionalen Höhepunkt findet, kennzeichnen diesen im Herbst wieder zu sehenden "Rosenkavalier", sondern vor allem eine hervorragende Umsetzung. So kammermusikalisch und doch schwungvoll, transparent und doch mit gewaltigen Aufschwüngen wurde die Oper lange nicht mehr gespielt. Franz Welser-Möst ist zudem den Sängern ein idealer Partner und versteht sich bestens auf den wienerischen Strauss-Stil.

Ninna Stemmes Marschallin vereint Jugendlichkeit mit Zügen früher wehmütiger Altersweisheit. Vesselina Kasarovas Oktavian versucht zwischen burschikosen Zügen und zögerlicher Verliebtheit zu vermitteln. Alfred Muff ist ein saftig-temperamentvoller Ochs. Rudolf Schasching als Valzacchi und Brigitte Pinter als Annina verstehen sich köstlich auf die Intrige. Überstrahlt werden sie alle von der stimmlich perfekten Malin Hartelius, einer idealen Sophie, die Freude wie Schmerz unmittelbar miterleben lässt.

Ob Salzburg hier mithalten wird können? In wenigen Wochen wird man es wissen.