Ariadne in der Kronenhalle

Roger Cahn, Blick (18.12.2006)

Ariadne auf Naxos, 16.12.2006, Zürich

Die Inszenierung ist überraschend, die Musik auf hohem Niveau interpretiert: Dem Opernhaus-Publikum gefiel am Samstag die Premiere von «Ariadne auf Naxos».

Die Schwierigkeit dieses philosophisch konzipierten Werkes: Wie bringt man erhabene Oper und simples Singspiel, Mythos und Banalität, Schein und Sein auf einen gemeinsamen Nenner?

Auf Kommando des Haushofmeisters - Alexander Pereira lässt es sich nicht nehmen, diese Sprechrolle persönlich auf der Bühne zu verkörpern - müssen die bestellte edle Oper «Ariadne auf Naxos» und die derbe Posse mit Harlekin und Zerbinetta gleichzeitig gespielt werden, weil das Feuerwerk als Höhepunkt des Abends nicht warten darf. Autor und Komponist wollen mit diesem Konzept demonstrieren, dass sich in der Kunst auch gegensätzliche Welten miteinander verschmelzen lassen.

Der deutsche Regisseur Claus Guth verlegt die Oper aus dem Wiener Palais ins Zürcher Nobelrestaurant Kronenhalle: Dort erwartet die von ihrem Geliebten verlassene edle Ariadne den Tod. Personal und Gäste - die Hauptfiguren von Oper und Komödie - kümmern sich aufopfernd um die melancholische Schönheit. Nach langem Warten steht er schliesslich in der Tür: nicht der ersehnte Todesbote Hermes, sondern Bacchus, der lebensbejahende Gott des Weines. Verwirrt sinken sich beide in die Arme.

Die Rechnung geht auf: In der Kronenhalle lassen sich Schein und Sein hervorragend verschmelzen. Wo nicht nur der Gast, sondern auch der Chef de Service König ist, wo sich Klassik (Ariadne, Bacchus und ihre Nymphen) und Pop (Zerbinetta und ihre Männertruppe) die Klinke in die Hand geben, wirkt das Aufeinanderprallen verschiedener Welten dem Zürcher Opernpublikum vertraut.

Unter Christoph von Dohnányis Leitung musiziert das Orchester der Oper Zürich kammermusikalisch differenziert. Die Sänger auf der Bühne können ihre extrem schwierigen Arien optimal singen. Emily Magee als Ariadne geht unter die Haut, Elena Mosuc als Zerbinetta brilliert, und Roberto Saccà als Tenor (Bacchus) zelebriert Schöngesang.

Fazit: Eine kunstvoll konstruierte Oper, von hervorragenden Künstlern präsentiert, findet in einem Zürcher Kunsttempel eine adäquate künstlerische Umsetzung.



Ein «Zückerli» für die Sponsoren

Während der Premiere von «Ariadne auf Naxos» führt Hausherr Alexander Pereira in der Rolle des Haushofmeisters den «Edelstatisten» Hans Bär in Begleitung von Lady Valerie Solti, Witwe des verstorbenen Star-Dirigenten Sir Georg Solti, auf die Bühne. Dort lädt er sie zu einem Glas Rotwein (Himbeersirup) ein. Eine neue kreative Idee des cleveren Direktors, um Sponsoren «einzuseifen»: Nicht nur zu Gast sein in der Direktionsloge, sondern einmal Edelstatist spielen «auf den Brettern, die die Welt bedeuten»?