Roger Cahn, Blick (20.01.2004)
Was «Aida» für Italien, ist «Eugen Onegin» für Russland. Die Herz-und- Schmerz-Oper von Peter Tschaikowski hatte am Samstag Premiere: kurzer, herzlicher Applaus.
Tatjana, eine melancholische Schönheit vom Lande, gesteht ihrem Angebeteten in einem Brief ihre Liebe. Erfolglos. Jahre später - sie hat in eine Adelsfamilie in St. Petersburg eingeheiratet - taucht der angebetete Eugen Onegin auf und wirbt mit allen Mitteln um ihre Liebe. Zu spät. Am Ende triumphiert die Frau - die Oper könnte auch «Tatjana» heissen.
Tschaikowski hat zu Alexander Puschkins Versroman eine zu Herzen gehende Musik geschrieben. Arien und Duette als Spiegel des Innenlebens einzelner Figuren, Volksfeste und Bälle als Charakterisierung für die ländlich-naive wie auch für die nobel-steife St. Petersburger Gesellschaft. Oper vom Feinsten.
Die neue Zürcher Produktion wird diesen Superlativen nicht ganz gerecht. Dirigent Vladimir Fedoseyev sucht im ersten Teil Intimität, dämpft Sänger wie Orchester und erntet so Teilnahmslosigkeit. Nach der Pause setzt er auf Dramatik und schon funkt es.
Regisseur Grischa Asagaroff inszeniert weitgehend ab Blatt. Das ist gut so. Wo er eigene Interpretationen versucht - beispielsweise beim Tanz des Totenvogels als symbolische Begleitfigur Eugen Onegins -, begibt er sich aufs Glatteis und rutscht aus. Ihm galten die vereinzelten Buhrufe beim Schlussapplaus.
«Eugen Onegin» ist Oper fürs Auge. Leider genügt die neue Zürcher Produktion auch hier nur teilweise. Die junge Russin Maya Dashuk und der deutsche Hüne Michael Volle sind vom Typ her die Idealbesetzung für Tatjana und Eugen. Stimmlich wäre ihr etwas mehr Dramatik und ihm etwas mehr russisches Timbre zu wünschen.
Fazit: Lauwarm.