Naturalismus mit Brüchen

sda, Neue Luzerner Zeitung (20.01.2004)

Eugen Onegin, 18.01.2004, Zürich

Als erste Neuinszenierung des Jahres ist am Sonntagabend am Opernhaus Zürich Tschaikowskis «Eugen Onegin» zur Premiere gekommen. In die Inszenierungsgeschichte der Oper wird die Aufführung nicht eingehen. Grischa Asagaroff zeigt sich zwar als sensibler Schauspielführer, lässt aber eine Gesamtsicht, eine künstlerische Vision auf die «Lyrischen Szenen» von Peter Tschaikowski vermissen. Asagaroff inszeniert getreu nach Libretto, und auch das Bühnenbild von Bernhard Kleber entspricht mit seinem Naturalismus den Intentionen des Komponisten. Einzig Kostümdesigner Reinhard von der Thannen erlaubt sich einige Freiheiten, indem er Solisten und Chöre in weisse, schwarze oder schwarz-weisse Einheitsroben kleidet.

Die russische Entdeckung

Auch wenn die Produktion nach dem gleichnamigen Roman von Alexander Puschkin von 1830 nicht zur Zeit der Entstehung der Vorlage angesiedelt ist, sondern gegen Ende des 19. Jahrhunderts, wirkt das szenische Ambiente etwas verstaubt. Zusätzlich zu dem bieder anmutenden Naturalismus auf der Bühne umgibt Asagaroff die Spielfläche mit Wandprospekten, die mit leuchtenden Farben bemalt sind und eine irreale oder gar surreale Welt suggerieren. Das Regieteam erhielt denn auch einige Buhs vom sonst begeistert applaudierenden Premierenpublikum. Uneingeschränkt bejubelt wurden hingegen die musikalischen Leistungen. Das Ensemble ist bis auf die kleinen Rollen ideal besetzt, und die junge Russin Maya Dashuk, welche die Rolle erstmals singt, ist als Tatjana gar eine Entdeckung.