Die Gefahr der Guillotine lauert überall

Roger Cahn, Blick (04.05.2004)

Les Dialogues des Carmélites, 02.05.2004, Zürich

Die Nonnen singen «Salve regina», steigen aufs Schafott, und aus dem Orchester saust das Fallbeil nieder. Sphärische Musik verklärt die Szene. Starker Schluss. Lang anhaltender Applaus. «Dialogues des Carmélites» hatte am Sonntag Premiere im Opernhaus Zürich.

«Dialogues des Carmélites» von Francis Poulenc spielt während der Französischen Revolution und berichtet von 16 Nonnen, die für ihren Glauben kämpfen und sterben.

Der französische Komponist Francis Poulenc (1899 - 1963) schrieb das Libretto nach dem Drama«Dialogues des Carmélites» seines katholischen Gesinnungsfreundes Georges Bernanos (1888 - 1948). Uraufgeführt wurde die Oper 1951 unter dem deutschen Titel «Die begnadete Angst» am Zürcher Schauspielhaus.

Anfänglich oratorienhaft-statisch, steigert sich die Oper zu intensiver Spannung. Die melodiöse, stellenweise an Filmmusik anklingende Tonsprache trägt die Handlung.

Die Hauptlast des Abends liegt auf den Schultern des Dirigenten Michel Plasson. Er lotet alle Facetten dieser zutiefst französischen Musik aus, schwelgt mit dem hervorragend mitspielenden Orchester, lässt den Stimmen den nötigen Freiraum und hält dabei die Spannung.

Das Regieteam hat da keine Chance. Die allgegenwärtigen Karton-Guillotinen verlieren an Wirkung, die schäbige Bühne funktioniert für die ständig wechselnden Schauplätze, ist aber unästhetisch. Die Figuren werden von Regisseur Reto Nickler oft allein gelassen. Sinnvoll und hilfreich sind hingegen die eingeblendeten, übersetzten Dialoge.

Solisten, Chor und Statisterie zeichnen immer wieder eindrückliche Bilder: vom rührenden Einzelschicksal (beispielsweise Felicity Palmer als sterbende Oberin) bis zu den gewalttätigen Massenszenen, z.B. wenn die Revolutionäre ins Kloster eindringen.

Fazit: So schön und ergreifend kann zeitgenössische Oper sein.