Sterne für die Liebe und ein Automobil

Herbert Büttiker, Der Landbote (28.11.2006)

L'Étoile, 26.11.2006, Zürich

Hochzeit statt Hinrichtung für den dahergelaufenen Lazuli: So richten es die Sterne. Und Erfolg für Emmanuel Chabriers feine Komödie «L'Étoile»: So richtet es das Opernhaus.

Nach «Faust», «Carmen», «Hoffmanns Erzählungen» und «Werther» kommen in den Opernhäusern ausserhalb Frankreichs fast nur noch Raritäten. Schön, dass das Opernhaus immer wieder auf Entdeckung im Bereich des französischen Repertoires geht. In die Reihe «Benvenuto Cellini» (Berlioz) und «Ariane et Barbe-Bleue» (Dukas) folgt jetzt Emmanuel Chabriers in den Bouffes parisiens 1877 uraufgeführte Oper(ette) «L'Étoile» – ein Leichtgewicht in der Faktur, und über das hinaus, was französische Brillanz ohnehin bedeutet, in der rhythmischen Raffinesse, im spritzigen Parlando und in der spielfreudigen Instrumentation ein Virtuosenstück, das für einen Artisten wie Ravel Vorbild war.

Ein Dirigent, für den Schwung und Akkuratesse dasselbe sind, kommt da wie gerufen. Kein Wunder also, dass auch hinter diesem jüngsten Ausflug ins französische Fach wieder John Eliot Gardiner steht, dem diese Herausforderung offenbar Spass macht, der diesen Spass hellhörig auf das ganze Ensemble überträgt und damit auch ins Publikum. Welch ein Hörvergnügen, sagt man sich am Ende, wie viel musikalischer Esprit im Orchester, wie viel vokaler Charme auf der Bühne.

Ein Mordsspass

Emmanuel Chabrier (1841–1894), der Komponist der oft gespielten
Orchester-Rhapsodie «España», ein Aussenseiter aus der Auvergne, ein Jurist, der in den Künstlersalons für Aufsehen sorgt, befreundet mit Manet und Verlaine, ein Wagnerianer, der nicht dem grossen Musikdrama nacheiferte, hatte für sein erstes Er folgsstück auch eine pfiffige Vorlage (Text von Eugène Leterrier und Albert G. G. Vanloo). Noch nahe an der Offenbach ist die Hauptfigur, König Ouf der Erste, auch schon ein Vorfahre von Alfred Jarrys Roi Ubu.

Als ein solcher erscheint er erst recht auf der mit viel szenischem Aufwand, aber ebenso viel Phantasie und Präzision auf den Mordsspass getrimmten Bühne. David Pountney (Inszenierung), Johan Engels (Büh nenbild), Maire-Jeanne Lecca (Kostüme) und Beate Vollack (Choreografie) verlegen die Geschichte (siehe Kästchen) in eine Shopping-Mall respektive in einen Palast des Phantasie-Emirats, in dem Prunk und Kitsch dasselbe sind. Das gilt beim satirischen Drall der Inszenierung sogar für das glamouröse Auto, das der Sponsor hier platzieren durfte. Kein Stirnrunzeln also, denn poliert ist hier auch gespottet. Manchmal glitzern die Sterne, manchmal glitzert die Discokugel, manchmal bedeutet der Stern einen Mercedes, manchmal den Traum eines Hausierers, der eine Prinzessin liebt, und am Ende ist der Stern die Spitze des Zauberstabs, den der Dirigent der Hauptdarstellerin überreicht.

Wirklich verleiht Marie-Claude Chapuis, die junge Mezzosopranistin aus Fribourg, dem jungen Burschen alle draufgängerische Jugendlichkeit, die zu dieser Hosenrolle gehört. Zumal im ersten Akt, wo etwa die «Romance de L'Etoile» einige Expansion erfordert, geht ihr freilich die Musik nicht mit ebensolcher Leichtigkeit vonstatten, und schnell stellen die beiden Damen, mit denen es der Schwärmer zu tun bekommt, ihn mit schön timbrierten, schlanken und kräftig-agilen Stimmen ein we nig in den Schatten: Anne Catherine Gillet als Prinzessin Laouloa und Nora Sourouzian als Aloès sind exzellente Erscheinungen in jeder Hinsicht, beide erste Wahl auch für den König. Diesen porträtiert Jean-Luc Viala mit der grossen Palette seines geschmeidigen Tenors, aber auch mit aller Komödiantik in der köstlichen Mischung aus kindischer Einfalt und Dreistigkeit. Jean-Philippe Lafont als skurriler Astrologe tut es ihm mit profunden Tönen nach, und auch bei den weiteren Mitwirkenden dauert der Spass an der Sache bis zum bizarren Kehraus, den alle zur «Marche française» tanzen.