Da staunt Mozart

Roger Cahn, Blick (24.06.2003)

Die Entführung aus dem Serail, 22.06.2003, Zürich

Glanz verleiht der Aufführung der Schauspieler Klaus Maria Brandauer in der Sprechrolle des Bassa Selim - es gab Szenenapplaus. Auf der Bühne aber wenig Klasse. Und das zu erhöhten Preisen. Premiere war am Sonntag im Opernhaus.

Klaus Maria Brandauer als Bassa (Pascha) Selim mimt nicht - der Tradition folgend - den Weisen aus dem Morgenland, sondern den verliebten Macho, der die gefangene Konstanze nur sehr widerwillig mit ihrem Befreier und Geliebten Belmonte ziehen lässt.

Die von Mozart nicht vorgesehenen, kurzen Liebesszenen sind die Höhepunkte des langen Abends.

Regisseur Jonathan Millers oft gepriesener Sinn für die Psychologie der Figuren hat diesmal versagt. Zwei fantasielose Jünglinge - Belmonte mit seinem Diener Pedrillo - und die überdrehte Zofe Blondchen können Osmin, dem übereifrigen Aufseher des Paschas, kaum das Wasser reichen. Schwer zu glauben, dass diesem langweiligen Trio die Entführung gelingt und Konstanze nicht im Serail beim spannenderen Selim bleiben möchte.

Über biederes Mittelmass ragen von den Sängern nur Alfred Muff als stimmstarker und komischer Osmin und Malin Hartelius als Konstanze vor allem in den lyrischen Passagen heraus. Ihre Koloraturen sind noch steigerungsfähig. Patricia Petibon, im Vorfeld hochgejubelte Entdeckung aus Frankreich, karikiert das muntere Blondchen als überdrehte Puppe. Piotr Beczala singt den Belmonte brav und glanzlos. Boguslaw Bidzinski bleibt dem pfiffigen Diener Pedrillo vieles schuldig.

Am Dirigentenpult fehlt die magistrale Hand: Franz Welser-Möst musste krankheitshalber absagen. Dafür sprang der junge Christoph König ein. Unsicherheiten gabs vor allem in der Abstimmung zwischen Orchestergraben und Bühne. Bei Mozarts Musik hört man jedes kleinste Detail. Genau darin liegt der Teufel dieser Produktion.

Fazit: Ein weiteres Beispiel dafür, dass im Zürcher Opernhaus Glanz oft mehr im Parkett als auf der Bühne zu finden ist.