Lektion für die vier Grobiane

Hans Uli von Erlach, Zürich Express (24.09.2002)

I quattro rusteghi, 22.09.2002, Zürich

»I quattro rusteghi« von Ermanno Wolf-Ferrari im Opernhaus: Ein musikalisches Schmuckstück

Venezianisches Ambiente schon bevor der erste Ton erklingt: Die handkolorierte Ansicht der Lagunenstadt, ein Motiv des Malers Canaletto, füllt an der Rampe die ganze Bühne (Ausstattung: Luigi Perego). Drei Flächen der klassisch-stimmungsvollen Illustration lassen sich von leichter Hand um die eigene Achse öffnen. So entstehen neue, kleinere Räume, Spielplätze für die einzelnen Szenen. Für diese Umbauten sind stumme, Commedia-dell'Arte-Figuren zuständig, die auch sonst zuweilen kleine Szenen ins Geschehen einwerfen oder auch nur mal vorüberhuschen. Eine wortwörtliche leichtfüssige, hübsche Idee.

Der deutsch-italienische Komponist Ermanno Wolf-Ferrari (1876-1948) vertonte mit «I quattro rusteghi» (Die vier Grobiane) den gleichnamigen Goldoni-Klassiker. So amüsant das Geschichtchen auch ist, so verstaubt könnte es heute ankommen. Doch da ist eben diese geniale musikalische Form (1906 uraufgeführt), die wieder zu entdecken es sich mehr als lohnt.

Vielfarbige und witzige Musik

Wolf Verraris vielfarbige, witzige, ja zuweilen «sprechende» Musik erst macht das Amüsement dieses Opernabends aus. In ihr sind die einzelnen Figurun ganz köstlich charakterisiert: Die vier Grobiane eben, vier tumbe Familienväter, die ihre Frauen in biederer Macho-Manier unter der Knute halten, deren Gattinnen, die gemeinsam den Spiess resolut umdregen und ihren Männern eine gehörige Leklion erteilen. Und das junge Paar, dessen Heirat von den Vätern verfügt wird, und das sich glücklicherweise auch wirklich verliebt. Verkleidungsszenen fehlen ebenso wenig wie turbulente Meinungsverschiedenheiten. Höhepunkt ist die Szene mit nicht weniger als allen zehn Personen, die wils durcheinander gestikulieren, schwatzen, singen - musikalisch und szenisch auch eine Klippe.

Das Zúrcher Ensemble meistert den Abend brillant. Denn in dieser Oper gibt es keine Stars, sie steht und fällt mit der Ganzheit einer spritzigen Truppe. Wenn sich in den kommenden Vorstellungen noch mehr Lockerheit einstellt, wird die Aufführung endgültig zum gelungenen Schmuckstück. Gesungen wird hier in venezianischem Dialekt. Den versteht man eigentlich kaum, aber das Kolorit ist herrlich. Und über der Bühne wird die deutsche Übersetzung projiziert.

Stil- und geschmackvoll

Grischa Asagaroffs Inszenierung ist voll Tempo, hübscher Details und Spielfreude. Er bleibt aber, stil- und geschmackvoll, ganz auf dem Boden der braven Komödie, die Szenen entwickeln sich wie erwartet. Da würde die manchmal auch schräg karikierenden Musik, die bereits in Richtung Kurt Weill weist, schon noch mehr augenzwinkernde oder auch zeitgemässe Interpretation ermöglichen. Nello Santi dirigiert sie denn auch so differenziert, dass es eine theatralische Freude ist. Das Orchester lässt von hintergründigem Humor bis zu voll klingender, herzerührender Streichermelodik mit Folkloreanklängen jede Finesse aufblühen.