Opulenz übertüncht läppische Handlung

Bruno Rauch, Neue Luzerner Zeitung (30.11.2006)

L'Étoile, 26.11.2006, Zürich

In Zürich wird «L'Étoile» von Chabrier aufgeführt. Eine aufwändige Inszenierung soll das verblasste Sternchen zum Funkeln bringen.

Emmanuel Chabrier (1841 1894) löste zwar mit seiner Orchester-Rhapsodie «España» noch heute ein Wunschkonzerthit eine regelrechte Hispanomanie in der französischen Instrumentalmusik aus. Seine Operetten dagegen gingen nach ephemeren Erfolgen sehr rasch wieder vergessen.

Auch sein Bühnenerstling, die 1877 am Théâtre des Bouffes-Parisiens uraufgeführte Opéra-bouffe «L'Étoile», erfuhr das gleiche Schicksal: Nach 48 Aufführungen wurde das Werk, trotz Bemühen des Komponisten, endgültig abgesetzt.

Zu Unrecht, fand John Eliot Gardiner und liess es 1984 an der Opéra de Lyon nachspielen. Jetzt kommt auch Zürich in den Genuss der späten Ehrenrettung des «Sterns». Und Gardiner wird nicht müde, schon vorgängig dessen musikalische Qualitäten zu preisen.

Musikalischer Feinschliff

Tatsächlich geht er die schillernde, oft ins Ironische und Parodistische gewandte Musik mit delikatem Feinschliff an, wie man an der Premiere am Sonntag hörte. Unter seiner Stabführung klingt das Orchester geschärft und doch geschmeidig. Der aufgehellte Bläserklang passt vorzüglich zur leichtgewichtigen Muse Chabriers und dem gallischen Esprit.

Allerdings vermisst man auf die Dauer hinter der brillanten Légèreté doch das kantigere Profil; auch hat die Partitur ihre Längen.

Der polierten Oberfläche der Musik entspricht die Handlung. Man ist als Operngänger in Sachen Libretto an mancherlei gewöhnt; die abstruse Originalität des Librettos aus der Feder von Leterrier und Vanloo wird einen daher nur mässig erschüttern.

Tod mit aufschiebender Wirkung

Anlässlich seines Geburtstags erfreut König Ouf I. (Jean-Luc Viala) das Volk alljährlich mit einer öffentlichen Hinrichtung. Gesucht wird nun ein geeigneter Delinquent: der junge Hausierer Lazuli (Marie-Claude Chappuis).

Zufall, Gestirne und Sterndeuter Siroco (Jean-Philippe Lafont) wollen jedoch, dass Lazuli der astrologische Zwilling Oufs ist; ein Tag nach dessen Tod wird auch der König sterben müssen.

So wird der Todeskandidat im Nu zum königlichen Günstling, den man tunlichst hegt und pflegt. Doch weil er sich in die eigentlich dem König bestimmte Prinzessin Laoula (Anne-Catherine Gillet) verliebt, gibts noch allerhand Fährnisse zu bestehen, bis sich schliesslich alles zum Guten wendet.

Üppige Blüten

David Pountney (Regie), Johan Engels (Bühne) und Marie-Jeanne Lecca (Kostüme) versetzen die Handlung in ein fantastisches Emirat, wo lockere Damen den Mercedes-Stern des (gesponserten!) Staatsmobils polieren.

Palastwachen in modischem Vierfruchtdress, zu jeder Lebenslage passende Kamele, Champagnerflaschen (Marke: Dom Péreira), luxuriöse Vuitton-Särge und goldene Palmleuchter suggerieren arabischen Reichtum und ebensolchen Geschmack: Der unlängst gesprochene Opernkredit treibt üppige Blüten.

Pointen als Rohrkrepierer

Die opulente Ausstattung und die forcierten Regieeinfälle drohen die läppische Handlung plattzuwalzen. Zum Glück agiert ein durchwegs frankofones Ensemble, was die unsäglichen Dialoge erträglicher macht. Allerdings ist vieles so sehr auf Sprachwitz bezogen, dass wohl nur ein deutscher Dialog die weitgehend verpufften Pointen hätte retten können.

Animiert vom komödiantischen Viala/Ouf stürzt sich jedenfalls das gesamte Personal mit engagierter Spielfreude ins Geschehen, sodass allfällige stimmliche Mängel kaum ins Gewicht fallen. Dennoch wird sich die erhoffte Chabrier-Renaissance kaum einstellen.