Elisabeth Feller, Aargauer Zeitung (22.09.2003)
Matthias Hartmann inszeniert erstmals eine Oper - Smetanas «Verkaufte Braut».
Welcher Zufall! Matthias Hartmann inszeniert (erstmals) eine Oper und das in einer Phase, in der sich der Noch-Intendant des Schauspielhauses Bochum wie eine Braut umworben sieht - von den Schauspielhäusern in Hamburg und Zürich. Wie bekannt, ist Zürich mit dem Ja-Wort beglückt worden - und das mitten in den Arbeiten zu Smetanas «Die verkaufte Braut». Laune oder Fügung? Egal. Jedenfalls sind nach Bekanntwerden von Hartmanns Entscheid für die Pfauenbühne die Erwartungen an den erfolgsverwöhnten Vierziger um etliche Grade gestiegen. Verständlich, zumal es sich bei der Smetana-Oper nicht gerade um ein selten gespieltes Werk handelt.
Viel will einem dazu nicht mehr einfallen, sässe man lediglich dem Unverfänglichen auf, denn die Textstellen sind über weite Strecken harmlos, bisweilen gar nichtssagend - dies jedoch im Kontext zu einem unwiderstehlich strömenden, böhmischen Moll! Was Wunder, tun sich deswegen an mehreren Stellen dieser Oper Gräben auf zwischen Text und Musik. Dann muss sich der Regisseur entscheiden, ob er die Absicht des Textes unterstreicht oder der Musik den letzten Ton belässt.
Neue Handlung - dank Film
Matthias Hartman will beide nicht vergraulen. Vorerst geht er zum Textlichen auf kritische Distanz, indem er ein Mittel verwendet, das seine zuspitzend-ironisierende Wirkung nie verfehlt: der Film. Hartmann erfindet die Handlung als einen mit Totalen wie Nahaufnahmen spielenden, auf Gaze geworfenen Stummfilm (Max Ophüls grüsst!) gänzlich neu. Wobei nicht Konserven abgespult werden, sondern ein pantomimisch «aufbereitetes» Zweit-Geschehen von Kamermännern auf der Bühne (Volker Hintermeier) gefilmt wird, in «Echtzeit» also.
Dieser Film ist hier ein gleichermassen eigenständig-interpretierendes wie begleitendes Medium, denn natürlich muss die Handlung, wie sie der Opernbesucher kennt, zwingend auch auf der Bühne erfolgen. Kompliziert? Sicher, obschon dieses raffinierte Konstrukt das Publikum zu fesseln versteht; wenngleich oder gerade, da ihm Goethes «Verweile doch, du bist so schön» versagt bleibt. Genau das erweist sich auf die Länge jedoch als Nachteil, denn Hartmanns inszenatorisches Powern steht in deutlichem Kontrast zu Peter Schneiders Dirigat, das - rubatireich und gelegentliche «Wackelkontakte» zwischen (notabene tschechisch singenden, famosen) Solisten, Chor und Orchester als Inspiration des Augenblicks kalkulierend - das Rezept einer niemals karikierenden Musik befolgt. Smetana, der Musiker, ist wichtiger als Karel Sabina, der Librettist.
Versöhnung ist schwer
Bei so viel ungespanntem Ernst hat es Hartmann schwer, die Konvention des «Lustigen» mit der Neuentdeckung des weniger Harmlosen (das Volk ist bei Smetana Instanz und nicht Dekor) zu vereinen. So bleibt es, selbst in der witzigen Eingangsszene, wenn Martina Serafins mit unüblicher Sopranschärfe reagierende Marenka und Piotr Beczalas prachtvollen Melos entfaltender Jenik spielzeughafte Bauernhäuser auf der Bühne verteilen bei jener sinnbetörenden Artigkeit, die flugs Erinnerungen weckt an einen (sinngemäss zitierten) Satz aus Thomas Manns «Buddenbrooks»: «Es putzt sich so schön.»