Roger Cahn, Blick (03.06.2003)
Ein faszinierendes Sängertrio in einer verstaubten Aufführung: Das Opernhaus Zürich spielt Jules Massenets «Don Quichotte». Das Publikum hat an der Premiere vom Sonntag höflich applaudiert.
Der «Ritter mit der jämmerlichen Gestalt» kämpft zusammen mit seinem Diener Sancho Pansa gegen Windmühlen, um das Herz seiner geliebten Dulcinea zu gewinnen. Der Komponist Jules Massenet nimmt in seinem Alterswerk den armen, edlen Don Quichotte zum Anlass, über seinen eigenen Tod zu sinnieren. Die wunderbare Geschichte wird dabei bloss als Staffage genutzt.
Höhepunkt der Aufführung: Zum Dank für das von den Banditen zurückeroberte Collier küsst die schöne Kurtisane den mutigen Helden höflich auf die Stirn. Von Liebe keine Rede, der Kuss bricht dem Ritter das Herz. Er will nur noch sterben.
Regisseur Piero Faggioni hatte 1982 in Venedig mit seiner Inszenierung dem Werk zum internationalen Durchbruch verholfen. Seither zieht er mit seinem Titelhelden, dem Bass-Bariton Ruggero Raimondi, um die Welt. Beide werden nicht jünger, frische Ideen fehlen - ein Erfolg setzt langsam Staub an.
Am Dirigentenpult in Zürich steht Vladimir Fedosseyev, ein Russe, dem die Interpretation französischer Musik nicht in die Wiege gelegt worden ist. Keine Spur von Transparenz und Leichtigkeit, die Massenets Musik zum Seelenbalsam machen können. Weil ihn die Partitur stark zu beschäftigen scheint, fehlt der Blick des Dirigenten auf die Szenerie. Folge: immer wieder Unstimmigkeiten zwischen Bühne und Orchestergraben.
Bleiben als Positivpunkte eigentlich nur die drei Solisten: Überragend und ans Herz gehend Ruggero Raimondi als träumerischer, zerbrechlicher Ritter. Klangschön und bewegend - vor allem im zweiten Teil der Oper - Vesselina Kasarova als «la belle Dulcinée». Stimmstark und witzig Carlos Chausson als Sancho Pansa.
Fazit: Eine Story aus der Klamottenkiste der Literatur, ein alter Komponist und ein Regisseur, der mit seinem Werk seit über 20 Jahren durch die Welt tingelt - Oper nach dem Motto «Schnee von gestern».