An Léhars berühmter Operette glatt vorbeigelächelt

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (09.11.2006)

Das Land des Lächelns, 05.11.2006, Luzern

Dominique Mentha gilt als erfahrener und origineller Operetten-Regisseur. In Franz Lehárs «Land des Lächelns», das er am Sonntag in seinem Luzerner Theater inszenierte, fand er aber nicht ins Stück.

«Dein ist mein ganzes Herz» ... Der Schmachtfetzen, den jeder Tenor als Zugabe im Repertoire haben muss, stammt aus Lehárs Operette «Das Land des Lächelns» und ist mit Abstand das beste Stück darin. Dies war auch in der Luzerner Produktion der Fall, vor allem dank dem Tenor Jason Kim. Der Koreaner verfügt über den nötigen Schmelz und die Stimmkraft, um über das nicht zu unterschätzende Orchester Lehárs hinauszustrahlen und dabei immer noch mit dem Charme der Melodie spielen zu können.

Merkwürdig blutleeres Ambiente

Aber das wars dann auch schon mit den Pluspunkten dieser Premiere. Dominique Mentha, der Hausherr in Luzern und Regisseur dieser Produktion, der in Wien, aber auch in Luzern («Der Graf von Luxemburg») mit Operetten schon brilliert hatte, fand keinen Zugang zu diesem Stück.

Die Geschichte der adligen Wienerin, die sich in den chinesischen Prinzen verliebt und am Kulturschock scheitert, findet bei ihm in einem merkwürdig uninspirierten, blutleeren Ambiente statt. Das liegt jedoch nicht an den Bühnenbildern von Ingrid Erb, auch nicht an den durchaus prächtigen und fantasievollen Kostümen von Susanne Hubrich, sondern einzig und alleine an Menthas eigener Ideenlosigkeit.

Was gäbe der Gegensatz Europa-China mit heutigen Augen betrachtet doch nicht alles her: der Konflikt zwischen den Kulturen, der Aufstieg der Wirtschaftsmacht mit der Auslagerung von Arbeitsplätzen und dem Technologie-Transfer ins Land der Meister der Kopie. Aber nichts davon: Mentha beliess das Stück im Umfeld seiner Entstehungszeit 1929 und passte nur dezent die Sprechtexte heutigen Ideen an. Offensichtlich lag ihm vor allem daran, vor dem Hintergrund fremder Sitten und politischer Gegebenheiten die Konflikte der beiden Protagonisten auf die Bühne zu bringen.

Land des Gähnens

Was bei Verdi funktioniert, scheitert bei Lehár - gerade weil die Musik und die Dialoge der Gattung Operette verhaftet sind, obwohl der Komponist sich mit diesem Stück durchaus in Richtung Oper bewegen wollte. Was bei einer intelligenten Modernisierung mit aktuellen Texten vielleicht hätte gelingen können, scheitert so ziemlich kläglich: Spannung zwischen den Figuren kommt nie auf, die Regiesprache Menthas findet kaum über stereotype Gesten und hilfloses Stehtheater hinaus: Land des Gähnens! Auch musikalisch zerriss das Luzerner Theater diesmal - bis auf den erwähnten Tenor - keine grossen Stricke. Madelaine Wiboms Partie ist diejenige der Lisa nicht: Zu eng wird ihre Stimme in der Höhe, wenn sie aufblühen sollte; zu sehr auch wurde sie von Rick Stengards und dem Orchester zugedeckt.

Auch die beiden anderen Sänger, Susanna Kitzl und Martin Nyvall, vermochten kaum zu überzeugen. Kitzl immerhin war darstellerisch eine quirlige Chinesen-Prinzessin mit hübscher Tanzeinlage.

Verlorene Schlacht

Lehárs Partituren verlangen wie «richtige» Opern eine durchdachte Genauigkeit in den Tempi und ihren Übergängen und vor allem auch der Dynamik. Die fehlte bei Stengards an dieser Premiere noch weitgehend. Nur mit Streicherschmelz und schmetterndem Blech gewinnt man die Lehár-Schlacht bei weitem nicht.