Geld schliesst Liebe nicht aus

Frank Gerber, Berner Zeitung (03.01.2007)

Die lustige Witwe, 29.12.2006, Bern

Schon am Freitag hatte das Silvesterstück im Stadttheater Premiere: «Die lustige Witwe» von Franz Lehár. Die Musik überzeugt, die Ausstattung begeistert, die Regie schwankt zwischen banal und obszön.

Unterhosentheater wörtlich genommen: Liebesbotschaften werden nicht mehr galant auf einen Fächer geschrieben, sondern auf ein Paar weisse Unterhosen. Diese werden dann den ganzen Abend hindurch weitergereicht. Und auch mal auf dem Kopf getragen.

Es gibt viele gute Gründe, weshalb man in die Operette geht. Bei der Berner «Witwe» sind dies das Bühnenbild, Stefan Suske in der Sprechrolle des Njegus und ganz besonders das Ballett der Grisetten beiderlei Geschlechts (Choreografie: Stijn Celis). Nicht dazu gehört die Regie von Guy Joosten. Er zerstört die dramaturgische Mechanik der Tanzoperette, ohne an ihre Stelle etwas Neues zu setzen.

Kein Liebeswalzer

Das Liebespaar darf den zentralen Liebeswalzer nicht tanzen. Dafür hüpft Graf Danilo wie ein Ottifant über die Bühne. Ein solcher Eingriff ist erlaubt, benötigt aber stichhaltige Argumente. Ein paar obszöne Gags sind kein Ersatz für das ausgefeilte Gleichgewicht aus Witz und Erotik des Originals. Wenn sieben Männer im Marsch-Septett gemeinsam in den Park pinkeln, so schockiert das nicht einmal mehr das Premierenpublikum.

Dieser Park ist das zentrale Element des wunderbaren Bühnenbilds von Johannes Leiacker. Die Bäume wachsen kreisrund auf der Drehbühne, drum herum – separat drehbar – ein überdimensioniertes Rundsofa. Das ermöglicht raffinierte Auftritte. Man setzt sich unsichtbar hinter den Parkbäumen auf den roten Plüsch und lässt sich nach vorne auf die Bühne drehen.

Heirat ausgeschlossen

Mit einem schönen Champagnerkater beginnt die ganze Geschichte: Der Diplomat Danilo wird aus dem Nachtclub geholt und entschwipst. Er soll die reiche Witwe Hanna Glawari heiraten, damit ihre Millionen den Kleinstaat Pontevedro vor dem Bankrott bewahren. Doch Danilo hält die Institution Ehe für völlig veraltet…

Musikalisch macht der Abend Spass. Das Berner Symphonie-Orchester unter der Leitung von Srboljub Dinic spielt Lehárs berühmte Melodien mit der perfekten Mischung aus Gefühl und Ironie. Das gilt auch für Ursula Pfitzner in der Titelrolle. Sie verzichtet auf jede Gefühlsduselei, schliesslich kennt sie ihren Wert: 20 Millionen und eine schöne Sopranstimme. Tommi Hakala als Danilo setzt auf den Gegensatz zwischen der starken Stimme des Lebemanns und dem harmlosen Spiel eines Traumschwiegersohns aus einem Heimatfilm. Nur seine Einsätze sind trotz steten Blicks auf den Monitor mit dem Dirigenten noch oft unpräzis.

Brillante Nebenrolle

Musikalischer Höhepunkt des Abends war das Nebenpaar. Die Gattin des pontevedrinischen Botschafters und der verarmte französische Adelige Camille de Rosillon haben eines der schönsten Verhältnisse aller Operetten. Andries Cloete war als Camille stimmlich und darstellerisch schlichtweg brillant. Schade, hat ihn das Orchester manchmal übertönt.

Stephanie Houtzeel hat als Valencienne ebenso begeistert. Und dies trotz plumper Regieeinfälle, die auf ihre Kosten gingen. In ihren Unterhosen findet sich im Finale der handgeschriebene Satz: «Ich bin eine anständige Frau.»

Regisseur Guy Joosten musste beim Schlussapplaus einige Buhrufe aus dem Publikum einstecken.