Eins, zwei, drei – so ist halt ’s Wiener Blut

Herbert Büttiker, Der Landbote (28.12.2006)

Wiener Blut, 22.12.2006, St. Gallen

Das Neujahrskonzert in Form der Operette: Das Theater St. Gallen bietet es mit «Wiener Blut». Karten gibt es zwar nur für spätere Vorstellungen. Aber fürs Walzerglück ist es ja nie zu spät.

Am vergangenen Freitag war Premiere der Neuinszenierung dieser letzten Strauss-Operette, die genau genommen gar keine Strauss-Operette ist, weil der Walzer-König dazu nur das musikalische Rohmaterial lieferte und dem gewieften Theaterpraktiker und Arrangeur Adolf Müller die weitere Arbeit überliess. Dieser verband einen ganzen Katalog bekannter und weniger bekannter Walzer, Märsche und Polkas – die St. Galler Produktion bringt für die Tanzszenen weitere hinzu – zum Strauss-Potpourri, und so taumelt es sich einen Abend lang von einer der köstlichen Strauss-Blüten zur anderen.

Natürlich gibt es auch Figuren und eine Handlung, dazu einen Regisseur (Volker Vogel), der alles tüchtig in Szene setzt, aber am Ende ist es wie am Ursprung des «Wiener Bluts»: die Huldigung der Kaiserstadt im Dreivierteltakt, Neujahrskonzert. Das Sinfonieorchester St. Gallen unter der Leitung von Peter Tilling ist dafür bestens aufgelegt. Akurat ausgezirkelt, aber auch zupackend gespielt,erhält all die Musik ihren Schwung und ihr Flair. Mit viel Aufwand und ebenso viel Sorgfalt für schöne Kostüme (Marion Steiner) und Bühnenbilder im Lokalkolorit zur Zeit des Wiener Kongresses (Reiner Sinell) illuminiert die St. Galler Inszenierung die Musik.

Da scheint es an nichts zu fehlen, und man fragt sich warum die Sache dennoch ein wenig harzt. Ist es die Geschichte, das allzu flache Spiel mit den Stereotypen des erotischen Geplänkels? Dieses wird ein wenig forciert, damit sie auch ja interessiert: So leistet sich der Graf neben der Gattin und der Geliebten noch ein Techtelmechtel mit einer Schneidereigehilfin – Probiermamsell lautet die ominöse Berufsbezeichnung –,so dass die Dreivierteltaktliebe den Höhepunkt an Witz erreicht, wenn die Tänzerin Franziska Cagliari (Geliebte) zur Gräfin (Gemahlin) sagt: «Wissen Sie, dass uns Ihr Mann betrügt?»

Doch gerade die beiden Frauen sind reichlich blasse Figuren, was die beiden, Frauke Schäfer (Franzi) mehr als Angela Fout (Gräfin), mit musikalischem Glanz wettmachen. Die anderen treiben es bunter, und zu dick aufgetragen wird manchmal auch. Jörg Schneider allerdings führt als Graf einen soliden, nur auch etwas schmächtigen Tenor aufs vokale Parkett. Andreas Sauerzapf als sein Kammerdiener sticht dagegen pene-trant heraus, ebenso Iva Mihanovics als Pepi, wobei er den gepressten, sie den oft wackligen Stimmeinsatz mit komödiantischem Spiel- und Tanztalent furios kompensieren.

Die Erweiterung ins sprachlich Wurstig-Virtuose (nicht immer ganz leicht zu verstehen) leisten Fritz Hille als Fürst Ypsheim, der spröde Sachse, und Helmut Wallner als Kagler, der duselige Wiener. Ein schönes Kräftemessen! Natürlich ist der Premierminister von Reuss-Schleiz-Greiz am Ende dazu bestimmt, das Lob auf das «Wianer Blut» anzustimmen – wobei dann niemand mehr abseits stehen kann.