Roger Cahn, Blick (19.02.2007)
Wenn Nikolaus Harnoncourt dirigiert und Martin Kusej Regie führt, wird Mozart «gegen den Strich gebürstet». So auch am Samstagabend im Opernhaus. Für die Musik gab es Jubel, für die Inszenierung Buhrufe.
Mozarts letzte Oper verbindet Emotion mit Philosophie: Dunkel des Machthungers (das Reich der Königin der Nacht) versus Licht der Vernunft (die Welt des Priesters Sarastro), Kopf (der edle Prinz Tamino) versus Bauch (der muntere Vogelfänger Papageno). Und zwei Frauen als Opfer: Prinzessin Pamina und Papagena, das Mädchen aus dem einfachen Volk.
Schauspielregisseur Martin Kusej legt in seiner Sicht den Akzent auf die Liebe zwischen Pamina und Tamino. Weil er in Julia Kleiter eine faszinierende Sopranistin und in Jonas Kaufmann einen Tenor mit grosser Stimme und Ausstrahlung hat, geht die Rechnung auf. Die beeindruckendsten Szenen spielen sich denn auch zwischen diesen Figuren ab.
Dafür opfert er den Rest der Oper seiner eigenen Beliebigkeit. Die im Libretto immer wieder gestellte Frage «Wo bin ich?» könnte man zum Motto dieser Zürcher «Zauberflöte» machen. Zauberwelt und Exotik werden in ein nacktes, sich ständig drehendes graues Labyrinth verbannt. Die Königin der Nacht und Sarastro werden zu reinen Machtmenschen umfunktioniert, die sich erfolglos nach Liebe sehnen. Selbst Papageno spielt sich nur mit Mühe in die Gunst des Publikums, obwohl der junge Winterthurer Ruben Drole seine Aufgabe mit Bravour löst.
Nikolaus Harnoncourt, sonst für seine dynamischen und nüchternen Interpretationen gefeiert, zeigt sich hier für einmal als hochromantischer Dirigent. Sein Mozart öffnet viele Facetten, zeigt neue Dimensionen, feiert den Schönklang, nimmt ein und gewinnt an Tiefe. Die Sänger ziehen dabei voll mit.
Fazit: Wer eine schlüssige Neudeutung der «Zauberflöte» erwartet, wird enttäuscht, wer sich nach Liebe sehnt, beglückt.