«La Traviata»: TV-Reality

Walo von Fellenberg, Blick (27.02.2007)

La Traviata, 25.02.2007, Bern

«La Traviata», Giuseppe Verdis Oper über Leben und Sterben der Pariser Lebedame Violetta, erfährt im Stadttheater Bern eine Verjüngung. Premiere war am Sonntag.

Die Regisseurin Mariame Clément (33) übersetzt die 150-jährige Oper in die TV-Realität. Der Salon, durch den das Pariser Leben rauscht, ist ein Fernsehstudio, die todkranke Lebedame Violetta eine erschöpfte Bildschirmgrösse.

Erschütternd die Schlussszene: Im trostlosen Krankenzimmer schaut die todkranke Violetta im Fernsehen Erinnerungen von früher. Doch die Realität schaltet sich ein, ihr Liebster Alfredo hat sie ausfindig gemacht und ist zurückgekehrt, es reicht noch für eine letzte Liebesbeteuerung. Violetta stirbt, nüchtern und schockierend realistisch zugleich - und deshalb auch glaubwürdig.

Clément und ihre Bühnenbildnerin Julia Hansen setzen sich über die Oper mit den Gefühlen der heutigen jungen Frauen auseinander. Das Erstaunliche an ihrer Vision ist die Selbstverständlichkeit, mit der sich die Darsteller mit Verdis Musik zeitgemäss ausdrücken können.

«La Traviata», die man unendliche Male richtig gehört zu haben glaubte, gewinnt mit dieser gut beobachteten und folgerichtigen Umsetzung an Frische. Das Premierenpublikum war begeistert. Viel Beifall gabs auch für den Dirigenten Srboljub Dinic.