Entstaubt und entzaubert

Sigfried Schibli, Basler Zeitung (13.03.2007)

Le Nozze di Figaro, 11.03.2007, Zürich

Mozarts «Figaro» neu am Opernhaus Zürich

Zürich holt das Mozartjahr gründlich nach: Nach der «Zauberflöte» hatte «Le Nozze di Figaro» am Opernhaus Premiere. Ein turbulenter, ein hohler Abend.

Mit Mozarts «Figaro» verhält es sich wohl so: Diese Oper gehört zu den allerbeliebtesten im ganzen Repertoire. Doch an vollauf gelungene Inszenierungen dürften sich die wenigsten Opern-Habitués erinnern. Zu unglaubwürdig ist die Verwechslungskomödie, zu anachronistisch die Geschichte um das «Ius primae noctis», das der Graf Almaviva in Bezug auf seine junge Zofe beansprucht.

FILMREIF. Aus diesem Dilemma hat sich Sven-Eric Bechtolf, der bekannte Schauspieler und Opernregisseur, mit einem Befreiungsschlag erlöst. Er verpflanzt die Handlung kühn in die dreissiger Jahre des 20. Jahrhunderts und pflegt einen filmreifen Realismus, der das Stück vollends seiner fantastischen Züge entledigt, es allerdings auch der Banalität überantwortet.

Graf Almaviva (Michael Volle) ist hier nicht nur ein präpotenter Provinzmacker, sondern auch Hobbyzauberer, der gern mit seinen Tricks Frauen imponiert. Seine Contessa (Malin Hartelius) ist ganz Dame von Welt, ausser wenn der Page Cherubino (Judith Schmid) in der Nähe ist, dem sie auch mal ganz direkt ans Leder geht. Susanna und Figaro (Martina Janková, Erwin Schrott) entsprechen dem Charakterduo von quirlig-munterer Zofe und selbstbewusstem Diener. Wie überhaupt die Figurenzeichnung und die Personenführung mit unzähligen Theaterohrfeigen konventionell sind, ausgenommen das erstaunlich junge Paar Marcellina/Bartolo, dem man kaum abnimmt, dass das Figaros Eltern sein sollen.

STÖRUNGSFREI. Sängerisch bewegt sich die Produktion auf dem gewohnt hohen Zürcher Niveau; die vielen Rollendebüts mindern die Qualität nicht. Im Graben sorgt Dirigent Franz Welser-Möst mit dem fast störungsfrei, aber nicht sonderlich inspiriert agierenden Opernorchester und meist eher zügigen Tempi für angemessene Begleitung und sicheren Kontakt zur Bühne.

Musikalisch am schönsten ist an diesem langen, in seiner Turbulenz etwas leerlaufenden Abend indes eine unscheinbare Nebensache: das herrlich verspielte, fantasievolle Hammerflügel-Continuo.