Ein toller Tag beim Zauberer Almaviva

Oliver Schneider, Wiener Zeitung (13.03.2007)

Le Nozze di Figaro, 11.03.2007, Zürich

Premiere eines musikalisch spritzigen "Figaro" im Edel-Look in Zürich – Triumph für Martina Janková

Bei Nikolaus Harnoncourt und Claus Guth war "Le nozze di Figaro" letzten Sommer alles andere als eine Komödie. Doch auch das Gegenteil lässt sich mit Fug und Recht beweisen, so gehört und gesehen bei Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst und Regisseur Sven-Eric Bechtolf.
Quirlig-frisch, mit gehörigem Tempofluss und innerlich geschlossen tönt es aus dem hochgefahrenen Orchestergraben. Welser-Möst lässt das Orchester luftig und nachvollziehbar musizieren und setzt, wo nötig, markante Impulse. Zumindest bis zur Pause ein purer Genuss. Im dritten und vierten Akt trüben das zuweilen zu dominante Orchester und Koordinationsschwierigkeiten den Eindruck.

Psychologie mit Slapstick garniert

Wie schon die Wiener "Arabella" hat Bechtolf die Opera buffa in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts transferiert. Dies ist nachvollziehbar, weil emanzipierte Frauen in dieser Zeit ihre gewitzte Überlegenheit auch realiter öffentlich beweisen durften. Die Glittenbergs haben ihm dafür einmal mehr schicke, helle Interieurs im Art Déco- und Jugendstil und elegante Kostüme geschaffen. Das Ganze ist hübsch anzusehen, ein gewisser Déjà-vu-Effekt bleibt jedoch nicht aus.

Bei Bechtolf spielt "Figaro" wirklich an einem tollen Tag. Standesunterschiede verschwimmen, menschliche Bindungen und Gefühle werden durcheinander gewirbelt, Bedürfnisse treten unverblümt ans Tageslicht.

Mit sprühendem Witz sowie starken, wenn auch zum Teil überbordenden Bildern und reichlich Slapstick-Einlagen erzählt der Regisseur die Geschehnisse neu. So wird der Graf zum Zauberer, der immer wieder sein Können zum Besten gibt. Wenig damenhaft werden die Gräfin und Susanna gar handgreiflich.

Mitunter passiert fast zuviel auf der Bühne. Bechtolf ist aber auch ein Meister der psychologischen Feinzeichnung, wenn das Spiel im vierten Akt aus den Fugen gerät. Doch der Schlusschor verheißt die positive Auflösung. Hier gibt es die Utopie des menschlichen Glücks noch.

Sängerisches Niveau unterschiedlich

Sängerisch gebührt die Krone Martina Janková, die als gewiefte Susanna Witz und Charme versprüht. Mit ihrem betörenden Timbre lässt sie die Rosenarie zum Höhepunkt des Abends werden. Ihr Figaro, Erwin Schrott, ist ein heißblütiger Latinlover, der vor Selbstbewusstsein nur so strotzt. Stimmlich setzt er ganz auf warmen Wohlklang, lässt es aber an Markigkeit fehlen.

Das ist ganz anders bei Michael Volle, der den Schürzenjäger Almaviva als Alter Ego des Regisseurs präsentiert. Malin Hartelius als resolute Gräfin lässt in ihrer Kavatine im zweiten Akt beseelte Piani nicht vermissen und verströmt auch sonst viel Klangschönheit. Und doch wirkt sie stimmlich eine Spur zu distanziert.

Enttäuschend ist nur der Cherubino von Judith Schmid, der Liebling aller Frauen und von Basilio. Zu erwähnen ist noch Eva Liebaus Barbarina, die sich mit ihrer glockenhellen Stimme für größere Aufgaben empfiehlt.