Sigfried Schibli, Basler Zeitung (27.03.2007)
Gioacchino Rossinis komödiantische «Italienerin in Algier» am Theater Basel
Den Kontrast zwischen westlich-aufgeklärter und orientalischer Welt haben schon Mozart, Gluck und Rossini in ihren Werken thematisiert. Letzterer in seiner Oper «L’Italiana in Algeri», die in einer biederen Neuinszenierung am Theater Basel herauskam.
Nach «Zaïde › Adama» und vor der «Entführung aus dem Serail» in der nächsten Spielzeit zeigt das Theater Basel mit Rossinis «Italiana in Algeri» von 1813 ein weiteres Musiktheaterstück, das den «Clash of Cultures» zum Gegenstand hat. Und man muss nach der vom Premierenpublikum oppositionslos beklatschten Aufführung sagen: Man hat am Theater Basel auch schon auf höherem Niveau gelacht als in Patrick Schlössers simpler Inszenierung.
Diese kann es mühelos mit einem Dorfschwank oder mit einer Basler Vorfasnachtsveranstaltung aufnehmen, bleibt in der künstlerischen Sprache letztlich gesichts- und fantasielos. Die Figuren sind eindimensional und klischeehaft gezeichnet - Charaktermasken statt Menschen. Da denkt man wehmütig an die letzte Basler Rossini-Oper zurück, an Claus Guths zauberhaften «Barbier von Sevilla» im Insektenreich. Und fragt sich leicht irritiert, welche künstlerische Linie die Basler Theaterleitung denn mit so unterschiedlichen Arbeiten wie «Don Carlos», «Zaïde › Adama» und eben der «Italienerin» eigentlich verfolgt. Anscheinend gar keine.
RETTER. Die Regie zeigt den Bey von Algier in einem heruntergekommenen Palast, in dem die Tapeten blättern und auch mal der Sicherungskasten explodiert (Bühne: Etienne Pluss). Kein Zweifel, dieser Mustafa hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Es ist eng und muffig in seinem Haus, das Boudoir seiner Frau gleicht einer Rumpelkammer, und das Schiff der fluchtwilligen Italiener - eine ganze Fussballmannschaft - fährt bis in die gute Stube hinein. Eng ist auch die Basler Theaterbühne, meist reduziert auf das mittlere Drittel. Die Kostüme (Uta Meenen) sind zweckdienlich und fügen sich nahtlos in die Basler Produktion ein.
Diese stand besetzungsmässig unter einem unglücklichen Stern, erkrankte doch der Darsteller des Mustafa am Tag vor der Premiere. Dass das Theater im Bassbariton Oleg Bryjak kurzfristig einen Sänger fand, der die Partie musikalisch wie schauspielerisch vollgültig zum Leben brachte, war ein Glücksfall. Bryjak verlieh dieser negativen Hauptfigur der Oper mit seiner mächtigen, aber gleichwohl differenziert geführten Stimme Präsenz und Gewicht. Ihm ebenbürtig ist die Sängerin der Titelfigur, der Italienerin Isabella, die es auf einem Schiff just an den Hof des Mustafa verschlagen hat, an dem ihr Geliebter Lindoro als Sklave Dienst tut. Die Chilenin Mariselle Martinez ist eine Bilderbuch-Italienerin mit durchschlagskräftiger Höhe und bedrohlich gurrender Tiefe, am eindrücklichsten in ihrer flötenbegleiteten Cavatina «Per lui che adoro» aus dem zweiten Akt.
PROPHET. Auch der Tenor Javier Abreu als Lindoro debütiert am Theater Basel. Sein schlanker lyrischer Tenor wirkt am Anfang ein wenig stark tremolierend, gewinnt aber zunehmend an Festigkeit und Intonationsgenauigkeit. In mittleren bis kleineren Partien erlebt man mit sauberen Höhen und zurückhaltender Tongebung die junge Sopranistin Agata Wilewska in der Rolle der Elvira, der Lieblingsfrau des Mustafa, die um der emanzipierten Italienerin willen ihren Platz räumen und mit Lindoro zusammengehen soll. Rita Ahonen sang in der Premiere kernig ihre Vertraute Zulma. Eine komische Glanzpartie ist der leicht bekloppt wirkende Taddeo, der sich als Onkel der Isabella ausgibt, in Wirklichkeit aber ihr Freier ist (Marian Pop). Andrew Murphy ist Mustafas Diener Haly.
Rossinis Musik lebt vom Tempo und der Spritzigkeit der Ensembles. Unter den Händen des Kapellmeisters Baldo Podic blitzt immer wieder das Genie dieses Komponisten auf, auch wenn Podic und dem Sinfonieorchester Basel in der Premiere einige Ungenauigkeiten im Zusammenspiel unterliefen. Da fehlte es bisweilen an Feinschliff und Einsatzgenauigkeit.
Leichtfüssig und homogen gelangen Ensembles wie etwa das verblüffend auf Jacques Offenbach vorausweisende Finale des ersten Aktes mit seinen prä-dadaistischen Lautfolge «din din, tac tà, crà crà, bum bum», ein vollkommenes Abbild der allgemeinen Verwirrung, in die sämtliche Figuren am Hof des Beys von Algier gestürzt werden. Ein wenig von dieser schöpferischen Fantasie hätte man auch der Basler Inszenierung gewünscht.