Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (27.03.2007)
Mit Gioacchino Rossinis Opera buffa «L'Italiana in Algeri» hat das Theater Basel am Sonntag ein starkes Zeichen seiner musikalischen Qualitäten gesetzt. Die Regie von Patrick Schlösser dagegen blieb überraschend konventionell.
Der Bey von Algier mag die Grosswildjagd und hat offenbar vor Jahren Christoph Marthalers Bühnenbildnerin Anna Viebrock als Innenarchitektin engagiert. Eine Renovierung allerdings wäre dringend nötig, der Putz bröckelt und die elektrischen Installationen sind marode.
Ein Bijou von einer Bühne baute Etienne Pluss für die Produktion von Gioacchino Rossinis Oper «L'Italiana in Algeri» im Basler Theater. In kleinen, liebevoll ausstaffierten Guckkästchen, die auf der Drehbühne arrangiert sind, drängen sich die Protagonisten und Chöre.
Verhaltene Regie-Ideen
Der 35-jährige Schauspielregisseur Patrick Schlösser, der mit dieser «Italiana» seine dritte Oper auf die Bühne bringt, bleibt dem Text und den Konventionen des Stücks treu: Italienerin trifft auf orientalischen Potentaten und blamiert ihn bis auf die Knochen. Nur die Zeit ist näher dem Heute, Fernseher und Waschmaschine sind erfunden, das Aufeinandertreffen der Kulturen ist jedoch genauso von Vorurteilen und Ahnungslosigkeit geprägt.
Ein paar Mal versucht Schlösser, hinter die Fassaden der Komödienfiguren zu blicken, etwa als er Isabella Anfälle von Schwäche zeigen lässt, wenn sie von sich selber singt, sie sei eine starke Frau. Aber solche Regie-Ideen blieben im Ansatz stecken und entwickelten keine Bedeutung für das Stück. So blieb die Basler «Italiana» eine gute alte Opernkomödie, die in den Details immer wieder zum Lachen reizte.
Schauspielerische Brillanz
Der Witz aber fand wesentlich auch in der Musik statt: Der kasachische Bass Oleg Bryjak war zwei Tage vor der Premiere für den erkrankten Stefan Kocán eingesprungen, aber das war seinem Mustafa in keinem Moment anzusehen, so virtuos fügte er sich in die Rolle und Inszenierung. Und zu hören war es schon gar nicht: brillant, wie er nicht nur mit der Figur, sondern auch mit der Musik spielte, wie er die Rossinischen Koloraturen dem Moment anpasste, mal holprig poltern liess, mal verärgert einfärbte, dann wieder mit ungeahnter Agilität und Leichtigkeit sogar den Dirigenten Baldo Podic überraschte.
Die Isabella sang die chilenische Mezzosopranistin Mariselle Martinez mit ebenso viel sängerischer wie schauspielerischer Brillanz, mit Ausstrahlung und einer virtuosen Stimme von einem aufregend dunklen Timbre, das bisweilen an die Auftritte der grossen Cecilia Bartoli erinnerte. Der Tenor Javier Abreu als Lindoro war daneben ein vokales Leichtgewicht und konnte in keinem Moment mithalten. Dafür drehte Marian Pop als trottliger Taddeo sowohl sängerisch wie schauspielerisch wieder mächtig auf. Eine wahre Lust, diesem Ensemble zuzuhören und zuzuschauen.
Erstaunlich souverän
Bei so viel sängerischer Brillanz, welche von den Solisten dargeboten wurde, wollte das Basler Sinfonieorchester sich auch von der Schokoladenseite zeigen. Die vielen überaus heiklen und virtuosen Bläser-Soli gelangen schon von der Ouvertüre an erstaunlich souverän, und der Klang blieb dabei stets schlank und agil.
Podic dirigierte die berühmten Crescendo-Walzen Rossinis mit viel Gespür für Stil, Tempo und Dynamik. Den wirklich engen Kontakt mit der Bühne konnte er allerdings noch nicht immer herstellen, und hin und wieder hätte man sich noch schärfere Akzente vorstellen können. Insgesamt aber konnte diese Produktion der «L'Italiana in Algeri» so viel orchestralen Witz, Brio und musikantische Spritzigkeit vorweisen, wie es in Basel schon lange keine Aufführung mehr geschafft hat.