Rossini in Basel

Tobias Rothfahl, Tages-Anzeiger (27.03.2007)

L'Italiana in Algeri, 25.03.2007, Basel

Gioacchino Rossini wunderte sich über den triumphalen Erfolg seiner Oper «L’Italiana in Algeri», die ihm einst den Durchbruch brachte: «Ich glaubte, dass die Venezianer mich für verrückt halten würden, nachdem sie meine Oper gehört haben. Nun stellt sich heraus, dass sie noch verrückter sind als ich.» Verrückter als Rossini ist demnach auch das Basler Premieren-Publikum, das am Sonntag im Theater Basel der Neuinszenierung Patrick Schlössers beiwohnte.

Es ist tatsächlich eine wilde Sache, die Mustafa, der Bey von Algier, durch sein Begehren nach Exotischem ins Rollen bringt. Das Exotische hofft er in einer Italienerin zu finden, denn diese seien abenteuerlustig, heissblütig und aufmüpfig - kurz: perfekt, um den Überdruss an den hingebungsvollen Damen seines Harems zu vertreiben. Eine Italienerin muss also her und dank der Drohung, den Beauftragten bei Nichterfüllung des Auftrags zu pfählen, klappt das auch rasch. Bezaubernd schön ist sie, die Isabella, und Mustafas Glück stünde wenig im Wege, hätte er nicht Jahre zuvor Isabellas Geliebten Lindoro aus Italien verschleppt und zu seinem Sklaven gemacht. Die beiden erkennen sich wieder, es folgt: Konfusion, interkulturelles Chaos, Flucht.

Patrick Schlösser entwirft klaustrophobisch enge Räume, in denen der Verwirrung stiftende Zusammenprall verschiedener Lebenswelten umso stärker wirken soll. Die gegenseitige Ahnungslosigkeit frappiert, und jeder läuft Gefahr, sich als leichtgläubiger Trottel lächerlich zu machen, denn wer kann schon wissen: Steht man vor fremden kulturellen Phänomen oder wird man Opfer intriganter Verulkung? Die Inszenierung setzt ganz auf die Verführungskraft des Anderen: So stark sei sie, dass erst patriotische Gefühle dem Fluchtplan zur Vollendung verhelfen. Nach Italien muss man, dort ist schliesslich die Heimat. Auffällig sind die patriotischen Züge des Librettos tatsächlich, doch muss deswegen wirklich die italienische Fussball-Elf auf die Bühne? Gut, Italien ist Fussball, und dennoch ist Schlössers Idee nicht mal neu: Vor wenigen Monaten hat schon Dario Fo in Pesaro den Calcio an der gleichen Stelle auf die Bühne bestellt. Ausbrüche dieser Art können eine brave Inszenierung kaum retten.

Dafür ist die Musik grossartig. Der kroatische Dirigent Baldo Podic zeigte Liebe zum Detail, Lust an turbulent-rossinischer Konfusion und Mut zu rasenden Tempi; das Ensemble überzeugt durchwegs und hat gerade in den silbenprasselnden Kollektivtiraden tolle Wirkung. Herausragend aber sind Oleg Bryjiak als schwadronierend-scheiternder Macho Mustafa (obwohl er 36 Stunden vor der Premiere noch nicht ahnte, dass er für den erkrankten Stefan Kocan einspringen würde), Mariselle Martinez als Isabella und Marion Pop als tölpelhaft-enragierter Taddeo. Eine Aufführung für Opernhörer also, eher als für Theatermenschen.