Marianne Zelger-Vogt, Neue Zürcher Zeitung (27.03.2007)
Rossinis «Italiana in Algeri» im Theater Basel
Ein sinnenfreudiger Ehemann ist seiner braven Angetrauten überdrüssig und will sie mit einem andern verkuppeln, um frei zu werden für eine neue Beziehung - das ist die Ausgangssituation von Gioachino Rossinis «Italiana in Algeri». Kompliziert wird sie dadurch, dass der Scheidungswillige ein orientalischer Potentat ist und seine neue Flamme eine emanzipierte Italienerin, die in Algier ihren Geliebten als Sklaven wiederfindet. Damit ist Rossinis Buffa ein später Ableger der «Türkenoper». Doch während der Orient in Mozarts «Entführung aus dem Serail» noch existenzielle Bedrohung war, dient er bei Rossini nur noch der Situationskomik. Weil sich die beiden Kulturen fremd sind, fällt der eitle Bey Mustafà auf eine List der kühnen Italienerin herein: Er lässt sich zum Pappataci ernennen. Dieser Ehrentitel verpflichtet ihn zum Schweigen, Essen und Trinken, so dass Isabella vor seinen Augen mit ihrem Geliebten Lindoro fliehen kann.
In Patrick Schlössers Basler Inszenierung ist der Orientalismus bloss noch dürftige Verkleidung (Kostüme Uta Meenen). Die von Szene zu Szene leicht modifizierten Räume verbreiten mitteleuropäische Fünfziger-Jahre-Tristesse und sind beengend klein (nur zweimal öffnet Etienne Pluss die Bühne zu voller Breite). Was den Figuren dabei an Spielraum bleibt, wird schlecht genutzt. Situationskomik und Bewegungsmotorik - die eigentlichen Antriebskräfte von Rossinis Dramaturgie - sind Schlössers Sache nicht. Klischeehaft konventionell, ja lustlos schnurrt das Spiel bei ihm ab, und nicht einmal für die irrwitzige Überdrehtheit der beiden Finalszenen hat er ein überzeugendes Rezept.
Dem kurzfristig eingesprungenen Oleg Bryjak (Mustafà) gereichte das allerdings zum Vorteil. Auf dieser Bühne und in dieser Regie kann sich ein Sänger ohne lange Proben zurechtfinden. Und seinen schweren Bassbariton führt Bryjak erstaunlich behende. Überhaupt steht es um den musikalischen Teil der Aufführung deutlich besser als um den szenischen. Mariselle Martinez gestaltet die Titelpartie mit einem warm timbrierten, agilen, die Register nahtlos verblendenden Mezzosopran, dessen Ausdrucksspektrum allerdings noch schmal ist. Javier Abreu bewegt sich in den exponierten Höhenregionen Lindoros zunehmend gewandter und lockerer. Marian Pop gibt den leer ausgehenden komischen Liebhaber Taddeo mit vokalem Anstand, während Agata Wilewskas scharf klingender Sopran das Mitleid für Mustafàs verstossene Gemahlin Elvira in Grenzen hält.
Was dem Bühnengeschehen an Spritzigkeit und Pointierung fehlt, macht der Dirigent Baldo Podic teilweise wett. Der Orchesterklang ist fein auf die leichten jungen Sängerstimmen abgestimmt und lässt dank seiner Transparenz die zahlreichen solistischen Einsprengsel (namentlich der Bläser) zu schönster Wirkung kommen. Das Publikum zeigte sich äusserst beifallsfreudig. Wem die Basler «Italiana» zu temperamentlos ist, kann nun auf die Zürcher Version hoffen, die am 22. April Premiere hat.