Die Krähe krächzt, und Isabella singt wunderbar

Thomas Meyer, Tages-Anzeiger (24.04.2007)

L'Italiana in Algeri, 22.04.2007, Zürich

Das Schönste an Rossinis «Italienerin in Algier» ist der Spieltrieb, wie er nun auch im Zürcher Opernhaus ausgelebt wird.

«In meinem Kopf ist ein Glöckchen, das immerzu Din-din macht», singen die Frauen. Bei den Männern aber machts eher wie ein Hammer «tak, tak» oder gar wie eine Kanone «bum, bum». Und eine Krähe ohne Federn krächzt dazu «kra, kra». Ein kurioses vokales Glockenspiel veranstaltet Gioacchino Rossini im Finale des 1. Akts. Die Szene aus «L’Italiana in Algeri» ist zu Recht berühmt geworden, denn sie gilt als ein Vorbild für die späteren Offenbachiaden. Das «Dramma giocoso per musica», das am Samstag im Opernhaus Zürich nach zwanzig Jahren wieder auf den Spielplan gehoben wurde, besteht aus fast purem Spieltrieb.

«Ich glaubte, dass die Venezianer mich für verrückt halten würden, nachdem sie meine Oper gehört haben. Nun stellt sich heraus, dass sie noch verrückter sind als ich», schrieb der Komponist nach der umjubelten Uraufführung vom 22. Mai 1813. Ein Triumph des Absurden und Verspielten in harschen Kriegszeiten, der Inbegriff einer Opera buffa, weil rein nichts mehr seriös ist, während in anderen Rossini-Komödien wie «La Cerenentola» oder dem «Barbiere di Siviglia» immerhin noch die Warmherzigkeit des Märchens beziehungsweise die Kraft der Intrige spürbar bleibt. Hier nicht.

Die Handlung ist ein Witz

Das Din-din und Bum-bum lässt vergessen, dass es in dieser Oper um einen west-östlichen Konflikt geht (wobei paradoxerweise Algier geografisch westlicher liegt als Italien). Der Anlass zum Libretto war zwar eine wahre Geschichte - eine wohlhabende Italienerin wurde von Korsaren zum Bey von Algier verschleppt und kehrte nach Jahren wieder zurück -, aber eigentlich gehört das eher zur Staffage. Weder wird hier ein kultureller Gegensatz ausgetragen, noch gibt sich die Musik jenseits vom damals modischen Türken-Schlagzeug orientalisch. Die Personen machen zudem kaum eine Entwicklung durch, ausser dass sie erkennen, wo sie an der Nase herumgeführt wurden.

Selten ist in einer Oper so lautstark von Dummheit die Rede wie hier. Die Handlung ist ein Witz und eigentlich eine Beleidigung des Mannes. Die moderne italienische Frau macht mit ihm, was sie will. Die beiden Musliminnen (Christiane Kohl als Ehefrau des Beys und Martina Welschenbach als ihre Dienerin) können von ihr nur lernen. Der einzige Mann mit Durchblick ist der Korsar Haly, dem Valeriy Murga hier vokal und darstellerisch Statur verleiht. Der Mustafà, der Bey von Algier, bleibt ein triebgelenkter Dummkopf, der zweite potenzielle Liebhaber Taddeo ein lächerlicher Vogel, und selbst der dritte, Lindoro, der die Titelheldin heimführen darf, wirkt eher schwächlich. Da stört es denn auch wenig, dass Javier Camarena weder etwas Heldisches noch etwas Schönlinghaftes in die Rolle einbringt, sondern einfach fabelhaft singt.

Das Stück lebt stark von Kulisse und Kostüm und von witzigen Einfällen. Dies nutzt die neue Zürcher Inszenierung stellenweise prächtig aus: da eine Anspielung auf die italienische Trikolore im Mantel der Protagonistin (Kostüme: Marina Luxardo), dort ein grandioser Ozeandampfer, auf dem sie eintrifft und dann wieder abfährt (Bühnenbild: Luigi Perego). Das sind die Glanzlichter in einer unterhaltsamen, wenn auch weit gehend funktional gestalteten Aufführung.

Als eine Art Marionettentheater hatte Michael Hampe das Stück vor zwanzig Jahren in Zürich gestaltet. Bei Regisseur Cesare Lievi nun ist eher Slapstick angesagt, gerade in der erwähnten Szene. Der sicherste Wert dabei sind die Dummen, die in den komischen Szenen brillieren, so der grün wie ein Papagei gekleidete Taddeo von Carlos Chausson, der sich als komödiantischer Tausendsassa auch wie ein Plappervogel aufführt, oder der Mustafà von Carlo Lepore, der auch die düsteren Verzierungen mit Klarheit singt. Auch der Männerchor des Opernhauses trägt zur schönen Ensembleleistung bei.

Feuerwerk mit Vesselina Kasarova

So wird hier gediegenes, durchaus angenehmes und gefälliges Opernhandwerk geliefert. Das Zürcher Premierenpublikum war höchst angetan davon. Der Abend hat tatsächlich seine gestalterische Einheitlichkeit - aber trotzdem wenig Glanz, und wirklich prägnant und auf den Punkt gebracht ist kaum etwas. Das betrifft auch die musikalische Gestaltung des Orchesters der Oper Zürich unter der Leitung von Paolo Carignani, dem Generalmusikdirektor der Frankfurter Oper. Er hat das Werk sorgfältig einstudiert, behutsam Klangfarben herausgearbeitet, er setzt Akzente, besonders in den Bläsersoli, und versucht doch, nichts zu überzeichnen. Das wirkt schön und bleibt doch ein Spürchen zu blass, ebenso wie Lievis Regiearbeit.

Ein wirkliches Feuerwerk ist die Aufführung damit auch musikalisch nicht - wäre da nicht die Titelfigur. Um Vesselina Kasarova, um die selbstbewusste Italienerin Isabella, herum ist das Stück gebaut. Die bulgarische Mezzosopranistin glänzt mit dunkler Stimme, die doch jederzeit zu einer Koloratur anheben kann. Sie ist der Typ Sängerin, wie er wohl Rossini vorschwebte: Belcanto der schönsten Sorte, aber nicht hell wie bei einer Sopranistin, sondern gehaltvoller und ausdrucksstark. Zudem gestaltet Kasarova mit Witz und bringt auch als Einzige dramatische Töne hinein, sodass man einen Moment glauben könnte, sie meine es ernst. Sie ist nicht nur im Werk, sondern auch auf der Bühne die zentrale Gestalt in diesem absurden Spiel.