Oliver Schneider, DrehPunktKultur (23.04.2007)
Cesare Lievi verlegt Rossinis "L'Italiana in Algeri" in eine Strandbar. Überzeugen können in dieser Neuinszenierung nur die Sänger.
Nicht nur die sommerlichen Temperaturen, sondern auch die Neuinszenierung von Rossinis frühem Serail-Stück lassen Feriengefühle aufkommen. Regisseur Cesare Lievi und sein Ausstattungsteam (Bühnenbild: Luigi Perego, Kostüme: Marina Luxardo) lassen die Situationskomödie in einer eleganten, weißen Strandbar in Algier spielen. Der Besitzer heisst Mustafà, ein einfältiger und gutmütiger Patriarch. Gelangweilt hocken männliche Gäste an den Tischen. Nichts los in Algier. Seine Frau Elvira, die sich als Sängerin in der Bar verdingt und auf einem Plakat als "Schöne von Algier" angekündigt wird, kippt ein Glas Champagner nach dem anderen. Mustafà möchte seine Frau mit seinem Angestellten Lindoro in dessen Heimat Italien abschieben und für sich selbst eine flotte Italienerin angeln. Die Ankunft eines Kreuzfahrtschiffs bringt ihn seinem Ziel nah, denn zu den Ankömmlingen gehört auch ein italienisches Variété-Theater mit der Diva Isabella...
Eine witzige Geschichte ohne großen Tiefgang, bei welcher der Orient nicht mehr als Staffage bildet. Dass Lievi und sein Team die Handlung statt im Palast des Beys von Algier in einer Bar spielen lassen, ist nebensächlich. Die geschmackvolle Bühne und die hinreißenden weiß-roten und blauen Kostümen mit glitzernden Versatzstücken machen die aufeinander prallenden Vorstellungen deutlich genug.
Leider fehlt es an einer erkennbaren Personenführung, damit das beschwingte Spiel in Bewegung kommt. Denn sogar Sänger wie Vesselina Kasarova als Isabella und Carlos Chausson als Taddeo, die schon auf ausreichend Erfahrung in ihren Rollen zurückblicken können, wirken in ihrer Gestik hilflos und beschränken sich häufig aufs Rampensingen. Da helfen auch die Lachen auslösenden Gags wenig. Die Stretta des ersten Finals, in der den Protagonisten vor lauter Verwirrung die Worte fehlen, wirkt denkbar unglaubwürdig. Dass die Beteiligten außer sich sind, nimmt man ihnen in Zürich nicht ab.
Aber es liegt nicht nur an der mangelnden Personenführung, dass der Abend energielos dahin plätschert. Auch das Orchester unter der Leitung des Frankfurter Generalmusikdirektors Paolo Carignani wirkt über weite Strecken zu wenig zündend, zu wenig leichtfüßig. In Bezug auf die Tempi scheint es zuweilen Unstimmigkeiten zwischen Bühne und Graben zu geben.
In Erinnerung bleiben wird die Produktion wegen der Solisten. Wegen Vesselina Kasarova, die der Italienerin ihre dunkel-balsamische Stimme verleiht und deren Koloraturen nur so perlen.
Die Entdeckung des Abends ist der junge mexikanische Tenor Javier Camarena. Zu Beginn der Saison noch Mitglied des Internationalen Opernstudios der Zürcher Oper wurde er Anfang April ins Ensemble aufgenommen. Seine Höhensicherheit, seine Agilität und sein Legato zeugen davon, dass man bei kluger Karriereplanung bald auch andernorts von ihm hören wird.
Den Mustafà singt Carlo Lepore, der nach verhaltenem Beginn ein überzeugendes Porträt des Barbesitzers liefert. Carlos Chausson beweist einmal mehr, dass er zu den herausragenden Vertretern des Rossini-Buffofachs gehört, und die Comprimari Christiane Kohl als Elvira, Martina Welschenbach als Zulma und Valeriy Murga als Haly vervollständigen den positiven Eindruck von der Sängercrew.