Von Orléans in die Groteske

Verena Naegele, St. Galler Tagblatt (18.05.2007)

Jeanne d'Arc au bûcher, 16.05.2007, Basel

Honeggers «Jeanne d'Arc au bûcher» am Theater Basel

Mit Spannung wurde die Produktion von Arthur Honeggers expressiver «Jeanne d'Arc»-Vertonung am Theater Basel erwartet. Musikalisch gut gelungen, vermag der Abend aber szenisch nicht zu überzeugen.

Es hat Seltenheitswert, wenn an einem Schweizer Opernhaus ein Schweizer Intendant das Zepter schwingt. Beim Basler Theater hat seit kurzem der Berner Georges Delnon dieses Amt inne, und erfreulicherweise programmiert er Musiktheaterstücke Schweizerischer Provenienz, aktuell Honeggers «Jeanne d'Arc», im November folgt dann Schoecks «Penthesilea». Einfach zu inszenieren sind diese Werke allerdings nicht, wie man am Mittwochabend schmerzlich erfahren musste.

Als «dramatisches Oratorium» bezeichnet Honegger seine auf eine Dichtung von Paul Claudel komponierte «Jeanne d'Arc au bûcher». Tatsächlich bewegt sich das von Paul Sacher 1938 in Basel uraufgeführte Werk im Bereich des Imaginären, durchlebt doch die junge Jeanne am Tag ihrer Hinrichtung wie in Trance einzelne Stationen ihres Lebens noch einmal, allerdings symbolhaft verfremdet. Es war die Tänzerin und Schauspielerin Ida Rubinstein, die das Werk in Auftrag gab und selber die rezitativische Hauptrolle übernahm, wobei das Jeanne-Drama mit den Mitteln eines mittelalterlichen Mysterienspiels komponiert werden sollte.

Surreale Szenerie

Die Titelheldin entpuppt sich dabei als einzige reale Gestalt, während alle anderen nur als Symbolträger oder Allegorien erscheinen, die bis zur Groteske verzerrt werden wie Porcus (das Schwein) als Vorsitzender des (Tier-)Gerichts, das über Jeanne urteilt, oder wie die royalen Gestalten im persiflierten «Kartenspiel der Könige um Jeannes Leben». Die surrealen Szenerien erhalten ihre Unmittelbarkeit durch die facettenreiche Musik Honeggers, die vom gregorianischem Antiphon, über Volkslieder bis hin zu barocken Tänzen und grotesken Jazz-Rhythmen oszilliert.

Ein gewaltiges Spektrum, das Honegger da auffährt und das vom Orchester ein Höchstmass an Differenziertheit verlangt, zumal das Instrumentarium mit dreifachem Holz, Saxophonen, zwei Klavieren, Celesta und Ondes-Martenot üppig besetzt ist. Das Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Cornelius Meister spielte eine breite Palette von Klangfarben aus, wobei allerdings der allzu stark gepflegte grosse Bogen Einzelheiten einebnete. Das filmschnittartige Element, das Honegger durch die zahlreichen Stilwechsel so meisterhaft beherrscht, kam so etwas zu kurz.

Verirrt in der Komik

Vieles bekam zu wenig Konturen, was allerdings in erster Linie an der Regie lag. Regisseur David Hermann – unlängst in Salzburg für sein karges Bühnengeschehen ausgepfiffen – gelingt es nicht, die raffinierte Struktur plausibel zu machen. Eindimensional kahl präsentiert sich das Bühnenbild mit einem runden Holzsilo, rechts eine Strassenlaterne, links ein Gittertor, so dass Jeanne nicht fliehen kann. Wirkt diese Nüchternheit als Gegensatz zum expressiven Mysterienspiel zu Beginn auch sinngebend, so verliert sich Hauptmann später zu sehr in statischem, pseudolustigem Geplänkel. Kann man über den als «fressender» Camper auftretenden Porcus (Karl-Heinz Brand) noch schmunzeln, so gereicht das Gelage bei Bauer Heurtebise zur unfreiwilligen Komik. Der Chor, eingepfercht im rumpelnd um sich selbst sich drehenden Holzsilo, bestreitet sein rauschendes Fest in billigen weissen Gewändern mit Farbenkrönchen. Schade, denn der von Henrik Polus einstudierte Chor präsentiert sich in Bestform und wechselt gekonnt zwischen Summen, Singen, Sprechen und rhythmischer Virtuosität.

Die Sprechrolle der Jeanne spielt Marianne Denicourt. Gefällt ihre suggestive Kraft und ihre Musikalität im Rezitativischen, so fehlt eine körperlich differenzierte Stilisierung, wie sie wohl nur in Zusammenarbeit mit einer Choreographin hätte erreicht werden können. Gleiches gilt für den von Sébastian Dutrieux dramatisch dargestellten Frères Dominiques. Basel, einst dank Herbert Wernicke Hochburg der szenischen Realisation von Oratorien, kann mit Honegges Jeanne leider nicht an diese Tradition anknüpfen.