Die Schöne und der Krüppel

Verena Naegele, St. Galler Tagblatt (05.06.2007)

Francesca da Rimini, 03.06.2007, Zürich

Riccardo Zandonais «Francesca da Rimini» ist eine Produktion zwischen optischer Pracht und aufgeladener Musik. Emily Magees Francesca-Porträt rettet den Abend.

Wenn der unverwüstliche Nello Santi am Dirigentenpult steht, dann ist Tradition angesagt: Oper mit schönen Bildern, konventioneller Regie, grosser Geste. Das kann durchaus reizvoll sein, wenn damit eine logische Erzählung des dramatischen Plots einhergeht – ist aber von tödlicher Langeweile, wenn das Ganze wie in Zürich im bombastischen Pomp einer Ausstattungsorgie versinkt. Bühnenbildner Carlo Centolavigna leistet im Schlepptau von Regisseur Giancarlo del Monaco ganze Arbeit und erschlägt mit seiner Bilderflut die Oper geradezu.

Romantisches Blumenmeer

Schon das erste Bild ist an Kitsch kaum zu überbieten: Der mit Blumen über und über gespickte Garten bildet den pittoresken Rahmen für die mit Voile-Kleidern duftig ausstaffierten jungen Mädel. Man wähnt sich bei Anselm Feuerbach oder Dominique Ingres, die sich von der Geschichte um Francesca da Rimini aus Dantes «Divina Commedia» ebenso inspirieren liessen wie Riccardo Zandonai. Die zwischen Romantik, blutvollem Verismo und zart schimmerndem Impressionismus changierende Musik scheint aus demselben Holz geschnitzt wie diese Gemälde.

Zu dieser Musik, die an prachtvollen Klangfarben so reichhaltig und mit dramatischen Ausbrüchen so inhaltsschwanger ist, wirkt das optische Pendant überbordend. Vom Verismo angehaucht ist die Geschichte von Francesca, die Giovanni den Hinkenden heiraten muss, aber dessen Bruder Paolo den Schönen liebt. Als der fiese Malatestino die Liebenden verrät, lassen sich diese vom eifersüchtigen Ehemann erdolchen. Ein Opernstoff ganz nach italienischem Gusto, den Zandonai und sein Librettist Tito Riccordi an die Tristan-Tragödie anlehnen.

Mit den Stilen und Anlehnungen geht der Komponist virtuos um und findet sowohl zu erotisierendem Klangrausch als auch zu dramatischer Ekstase. Glutvoll interpretiert das Opernhausorchester unter Nello Santi. Emily Magee als Francesca bietet im Gleichschritt grosse Gesangskunst. «Acting with voice» heisst ihre Devise, die sie grossartig umsetzt, mit samtweich angesetzten dramatischen Aufschwüngen, lyrischem Liebesschmelz und Fortissimo-Ausbrüchen. Von der Regie im Stich gelassen, kommt sie szenisch wie alle anderen nicht über abgedroschene Gestik hinaus. Am schwersten hat es Marcello Giordani, der als Paolo in hinderlicher Tunika auftreten muss, aber mit heldischem Tenor brilliert und auch bei liedhafteren Passagen zu bewegenden Momenten findet. Juan Pons gibt einen körperlich gebrechlichen, stimmlich aber (allzu) potenten Gianciotto, dessen Wortduell mit dem listig kleinen Malatestino (Boiko Zvetanov) zum schrillen Gefecht ausartet.

Opern-Clichés

Zandonais Oper bewegt sich zuweilen nah am Schablonenhaften. So präsentiert sich Emily Magees Francesca stimmlich viel selbstbewusster als im Auftreten. Ihre Gespielinnen werden noch mehr in dieses mädchenhaft unterwürfige Gebaren hineingepresst. Und schliesslich rennen die Mannen in Kriegsrüstung mit Speeren auf die Bühne und schmettern ihr Kampflied in die Runde (Einstudierung Ernst Raffelsberger). Solche Clichés sind für jede Oper tödlich.