Erst Blumen, dann Blut

Christian Berzins, Mittelland Zeitung (05.06.2007)

Francesca da Rimini, 03.06.2007, Zürich

Opernhaus Zürich: Schweizerische Erstaufführung von Riccardo Zandonais «Francesca da Rimini» aus dem Jahr 1914.

Das Spannende des sonntäglichen Opernabends - aus den Parkettkommentaren schliessend - vorweg: Daniela Weisser sass dicht neben Opernhausintendant Alexander Pereira in der Loge. Der Rest ist schnell erzählt: Pereira frönt auch im siebzehnten Jahr der Amtszeit seiner zweiten Liebe, der italienischen Verismo-Oper beziehungsweise ihren Ausläufern.

Diesmal stellt er Riccardo Zandonais (1883›1944) «Francesca da Rimini» zur Diskussion, eine fast vergessene Oper aus dem Jahre 1914. Diskutieren muss allerdings jeder mit sich selbst, spielt das Opernhaus den Schmachtfetzen doch ohne dramaturgische Fragezeichen. Die müssten zwingend gesetzt werden, bedient dieses Werk doch eine aus historischer Sicht spannende, faschistische Ästhetik. Gabriele d’Annunzio (1863›1938) hat das Libretto geschrieben, jener Poet, der sich mit Wort (das Beste des Faschismus, seine Ästhetik, stamme von ihm, steht im Programmhaft) und auch mit widersprüchlicher Tat dem faschistischen Italien annäherte.

Kein Grund für Regisseur Gian Carlo del Monaco und Ausstatter Carlo Centolavigna, die Oper zu hinterfragen: Das Duo verstärkt vielmehr den Anschein des Faschis-tischen damit, dass es die Handlung in d’Annunzios Villa, den Vittoriale, versetzt. Und ist es nicht d’Annunzio selbst, der jeweils verklärt vom geschlossenen Vorhang hinunterblickt? Er wäre beglückt gewesen, dahinterzusehen. Da gab es einen mit Blumen und einem echten Falken überladenen Garten, bald einen Kriegsschauplatz mit viel Feuer und scharfen Waffen, bald überdimensionierte, protzig ausgestattete Schlaf- wie Wohnzimmer, wo römische Statuen und falsche Pfauen stehen. Die Frauen frönen hier fröhlich dem Nichts-tun, die Männer blicken finster in die von ihnen gelenkte Kriegswelt.

Hier lässt der Regisseur die Oper nach Libretto-Vorgabe spielen: voller klischierter Drohgebärden und schmachtenden Theaterküssen. Gegen Ende rettet der übersteigerte, musikdramatische Furor vor dem Opernschlaf, und das Drama nimmt seinen blutigen Lauf.

Ein einfaches Drama: Francesca liebt den schönen Bruder ihres behinderten Ehemannes. Der andere Bruder, der Einäugige, begehrt Francesca auch, wird abgewiesen und macht Giovanni auf den Ehebruch aufmerksam. Der Gehörnte ersticht alsbald das Liebespaar. In einem solchen Plot gibt es naturgemäss famose Gesangsnummern, auch wenn sie ziemlich holzschnitzartig komponiert sind. Dank Nello Santis unermüdlichem Einsatz für dieses rohe Werk wird wenigstens die Musik sehr klug ausgehört: Santi gibt den Hörweg vor, indem er die feinsten Regungen auslotet, aber auch die harte, tumbe Seite gnadenlos niederpreschen lässt.

Doch wenn bei einem so ein- dimensionalen Werk nicht Sänger auftreten, die ihre Rolle verinnerlicht haben und das mit überdramatischem Eifer widergeben, wird es dennoch langweilig. Emily Magee (Francesca) bedient mehr die lyrischen Seiten der Francesca; Marcello Giordani die dramatische des Paolo, allerdings auch nur, wenn er aufdrehen darf: Unter einem Mezzoforte ist sein Tenor etwas blass, ja brüchig. Völlig anders singt Boiko Zvetanov (Malatestino): Fast unheimlich, wie bestechend sicher und bedrohlich er jede Note singt und jedes Wort spricht. Durchdringend wie einst ist seine Stimme, aber auch kontrollierter. Erst als dieser oft kritisierte Tenor mit Magee, später mit Juan Pons (Giovanni) singt, erhält der Abend musikalischen Schwung. Pons hangelt sich weniger durch Klangschönheit als vielmehr dank der famosen Dik- tion durch die Rolle.

Die Nebenrollen sind toll besetzt. Aber was nützt es? Die Inszenierung versteht es nicht, diese stereotypen Rollen zu Charakteren zu machen. Zum Schluss bleibt wenig. Die Möglichkeit mit der ernsthaften Auseinandersetzung mit Zandonai, d’Annunzio bzw. dem Faschismus wurde verschenkt. Eine konzertante Aufführung wäre weniger entlarvend gewesen.