Betrogene Liebe in finsterer Welt

Fritz Schaub, Neue Luzerner Zeitung (05.06.2007)

Francesca da Rimini, 03.06.2007, Zürich

Die Inszenierung orientiert sich an D'Annunzios mit Sammelstücken vollgestopfter Villa am Gardasee.

Im Mittelalter endete ein Beziehungsdrama in einer Burg bei Rimini tödlich. Die Geschichte von der Frau, die den Bruder ihres Mannes liebte, wurde vielfach rezipiert. So auch in einer Oper von Riccardo Zandonai, die erstmals in Zürich zu sehen ist.
Nello Santi ist ein überaus stilkundiger Vermittler von Zandonais Musik.
Riccardo Zandonais Opernrarität «Francesca da Rimini» erlebt eine Wiederaufführung: Szenisch im Fin-de-siècle-Kleid, betört sie vor allem klanglich.

Die Handlung zu seiner 1914 in Turin uraufgeführten Oper entnahm Riccardo Zandonai (1883 1944) der gleichnamigen Verstragödie von Gabriele D'Annunzio, der sich seinerseits von Dantes «Göttlicher Komödie» und Boccacio inspirieren liess. Die Liebestragödie hat tatsächlich stattgefunden, und zwar gegen Ende des 13. Jahrhunderts auf jener mächtigen Festung, die noch heute von der Autobahn zwischen Rimini und Pesaro aus zu sehen ist.

Dort befand sich der Stammsitz der Familie Malatesta. Aus politischen Gründen wurde Francesca da Polenta aus Ravenna mit dem ungestalten Giovanni da Malatesta verheiratet. Nach der Hochzeit mit dem finsteren Burgherrn verliebte sich Francesca jedoch in Paolo, den schönen Bruder Giovannis. Das schöne unglückliche Paar wurde von dem gehörnten Ehemann in flagranti ertappt und ermordet. Dante hat das Paar in den fünften Kreis der Hölle verdammt.

Kann denn Liebe Sünde sein?

Zandonai und sein Librettist Tito Ricordi setzten im Gefolge von D'Annunzios Verstragödie alles ein, um das Liebespaar in sympathischem Licht erscheinen zu lassen. Bei ihnen verliebt sich Francesca schon vor der Hochzeit in Paolo, der ihr zum Schein als künftiger Ehegatte vorgestellt wird. Der Akt, in dem der Betrug geschieht, ist eine Schlüsselszene des Werks: auf der Bühne geschieht nichts, ausser dass Francesca Paolo eine Rose überreicht, während Zandonai zu einer jener langen, impressionistisch verfeinerten Passagen ansetzt, die für die Oper typisch sind und im grossen Liebesduett des dritten Akts ihren Höhepunkt erreichen.

Achtung, Kitsch

Die Inszenierung von Giancarlo del Monaco (Regie), Carlo Centolavigna (Bühnenbild) und Maria Filippi (Kostüme) nahm den Faden des Dichterfürsten D'Annunzio auf und orientierte sich an dessen mit Sammelstücken aller Art voll gestopften Villa am Gardasee, die heute als Museum zu besichtigen ist. Ein nicht ungefährliches Unterfangen, denn damit bringt man auch all jene Überladenheit herein, die nahe an den Kitsch gerät. Das ist vor allem im ersten Bild der Fall, während die anderen, weiträumigeren Bilder eine plausible Gliederung zwischen der präfaschistischen, brutalen, in Uniformen gesteckten Männerwelt und den in langen, wallenden Gewändern erscheinenden Damen, wie man sie von den Bildern Gustav Klimts kennt, ermöglichen.

Musikalisch von hohem Reiz

Dirigent Nello Santi ist ein überaus stilkundiger Vermittler von Zandonais Musik: weniger emphatisch als früher, dafür nie hektisch, auch in der lärmigen Kampfszene nicht, und im Ausspinnen der lang gezogenen Melodien und der betörenden Farbreize von unendlicher Geduld. Sowohl Emily Magee (Francesca) als auch Marcello Giordani (Paolo) beweisen Stehvermögen in ihren strapaziösen Partien. Ihm wünschte man etwas mehr Schmelz im kernig eingesetzten Heldentenor, ihr eine noch feinere Phrasierungskunst in den Übergängen der nach innen gewendeten Gesangslinien. Die beiden gewaltbereiten Brüder Paolos erhalten durch Juan Pons (Giovanni da Malatesta) und Boiko Zvetanov (Malatestino) entsprechendes Profil. Viel Jubel gabs vom Publikum vor allem für Nello Santi und die Sänger.