Schön unpolitisch

Hans Uli von Erlach, Blick (12.06.2007)

Motezuma, 10.06.2007, Luzern

Vivaldi-Rarität «Motezuma» in Luzern aufgeführt.

Es war die Sensation der Barockmusik-Szene, als Fragmente der Vivaldi-Oper «Motezuma» vor sieben Jahren wiederentdeckt wurden. Premiere war am Sonntag.

Komponist Thomas Leininger (26) komponierte die fehlenden Teile hinzu, und so konnte das Werk vollständig aufgeführt werden.

Der Stoff ist historisch: Der spanische General Hernando Cortez erobert Mexiko und unterwirft die aztekische Kultur und Religion. Antonio Vivaldi (1678-1741) schuf dazu grossartig instrumentierte Musik. Reiche, virtuose Arien zeigen, dass er auch ein grosser Vokalkomponist war. Ein Glück, dass seine Opern wieder aufgeführt werden.

Dass es hier auch um Imperialismus geht, der fremde Völker zerstört, hat Vivaldi kaum interessiert. Der Text von Girolamo Giusti bog im Gegenteil die wahre Geschichte zurecht, fügte eine Liebesgeschichte bei, und der mexikanische Herrscher Montezuma, der bei Vivaldi Motezuma heisst, wird am Schluss von den Spaniern gnädigst zur Treue zum Eroberer verpflichtet - in Wirklichkeit wurde er hingerichtet.

Auch Regisseur Martín Acosta, selber Mexikaner, greift diese politische, noch heute aktuelle Seite des Stücks nicht auf. Zusammen mit seinem Landsmann Humberto Spíndola (Ausstattung) zeigt er die Eroberer als liebenswerte Zinnsoldaten, und aztekische Kostüme steigern sich von Akt zu Akt zu buntem Folklore-Klischee. Da hilft auch nicht, dass Kostüme und Bühnenbild durchwegs aus Papier und Papiermaché sind, dem traditionellen mexikanischen Dekorationsmaterial.

So bleibt am Schluss das, weshalb man gekommen ist: eine hörenswerte Vivaldi-Rarität, vom Barockensemble «La Gioconda» unter Michael Form farbenreich und akzentuiert zum Blühen gebracht. Und ein hervorragendes Sängerensemble, das die fantasiereichen, mäandernden Koloraturen stimmlich hervorragend meistert.