Vivaldis Barockmusik neu komponiert

sfd, Der Landbote (12.06.2007)

Motezuma, 10.06.2007, Luzern

Antonio Vivaldis Oper «Motezuma» ist ein Torso. Das Luzerner Theater präsentiert ihn ganz: stilecht ergänzt von Thomas Leininger.

Die Musik des 1733 in Venedig uraufgeführten Werks ist – im Gegensatz zum Libretto – nur teilweise erhalten. Sie galt als verloren, bis 2002 im kurz zuvor von Russland zurückgegebenen Archiv der Berliner Singakademie eine Abschrift grosser Teile der Partitur gefunden wurde. Die Singakademie veröffentlichte das Manuskript, verbot aber eine geplante Aufführung. Der Prozess, der mit der Freigabe der Partitur endete, hat internationales Aufsehen erregt.

Für die Koproduktion mit dem Theater der Stadt Heidelberg hat der junge Komponist und Cembalist Thomas Leininger die mangelnden Arien und Rezitative – rund einen Drittel des Werks – im Stil Vivaldis, mit dessen Instrumentalmusik als Ausgangsmaterial, nachkomponiert. Das Resultat ist verblüffend: Nur Kenner könnten wohl auf Anhieb Vivaldi und Leininger unterscheiden. Und im dritten Akt gelingen diesem gar zwei der eindrücklichsten Stücke des Abends.

Naiv-bunte Ausstattung

Motezuma behandelt die Eroberung Mexikos durch Hernán Cortés. Es mag auf den ersten Blick einleuchtend scheinen, diesen Stoff einem mexikanischen Regieteam anzuvertrauen – doch das Resultat ist niederschmetternd. In der naiv-bunten Ausstattung Humberto Spindolas arrangiert Regisseur Martin Acosta hilfloses, steifes Steh- und Schreittheater und macht schon gar nicht den Versuch, die Figuren plastisch werden zu lassen.

Am schlimmsten trifft es Tanja Ariane Baumgartner als Motezumas leidenschaftliche Gattin Mitrena. Kein Wunder, dass sie auch sängerisch blass bleibt, obwohl sie sauber und stilvoll singt. Caroline Vitale als Eroberer hingegen gelingt es, eine lebendige Bühnenfigur herzustellen. Teodora Georghiu singt den aztekischen Feldherrn Asprano mit jugendlichem, koloraturensicherem Sopran. Simone Stock als Motezumas Tochter Teutile findet im Lauf der Aufführung zu immer innigeren Tönen. Bernhard Landauer ist ein Liebhaber mit allzu grellem Altus und nicht immer lupenreiner Intonation. Howard Quilla Croft in der Titelrolle fehlt es an Wendigkeit, Farben und Ausdrucksvermögen.

Nicht immer sauber, dafür klangvoll und energiegeladen musiziert unter der umsichtigen Leitung von Michael Form «La Gioconda», das Barockensemble des Luzerner Sinfonieorchesters, unterstützt von einem lebendig agierenden Continuo mit Leininger selbst am Cembalo und dem Lautenisten Julian Behr.