Griff nach der verfluchten Krone

Christian Fluri, Mittelland Zeitung (11.09.2007)

Idomeneo, Rè di Creta, 09.09.2007, Luzern

Lucerne Festival: W. A. Mozarts «Idomeneo» im Luzerner Theater.

«Wer will die Krone?» Nachdem die Götter Kreter-König Idomeneo deutlich nahegelegt haben, abzudanken, bettelt er das Publikum an, sie ihm abzunehmen. Keiner nimmt das Herrschersymbol an › schon gar nicht sein Sohn Idamante, der sich zusammen mit Prinzessin Illia ins Theaterparkett zum Volk gesetzt hat. Hier scheint er geschützt vor den Launen der Götter. Denn die von ihnen erhaltene Macht ist vor allem fürchterliche Last. Das konnte man in dieser überaus geglückten In- szenierung von W. A. Mozarts «Idomeneo» durch Olivier Tambosi sehr anschaulich erleben. Die Produktion war sowohl Auftakt der Opernsaison des Luzerner Theaters als auch in vielerlei Aspekten passender Beitrag zum Festivalthema «Herkunft».

Das Leid liess hier jeden Protagonisten sich im Sand verkriechen. Der lag überall und machte jeden Schritt nicht nur symbolisch zum Kraftakt. Eingeschlossen war das Protagonistenquartett zu allem Unglück auch noch, eingeschlossen von düsteren Wänden (Bühne: Werner Hutterli), die sich allein einen Spalt öffneten, wenn der Chor, das Volk, seine Kommentare abgab.

Zugegeben, das sind ein- fache Symbole, aber durchaus einen dreistündigen Opernabend lang tragende. Kleinere Theaterzaubereien wie -fan- tastereien fehlen nicht. Aber bisweilen wird einfach «nur» gut gesungen und musiziert › vor allem auch vonseiten des schnörkellos spielenden Luzerner Sinfonieorchesters unter John Axelrod.

Die Geschichte von Idomeneo (Jason King), der Neptun ein Menschenopfer versprochen hat; von Idamante (Caroline Vitale), der das Opfer ist; und von Illia (Simone Stock) und Elettra (Christiane Boesiger), die um Idamante buhlen, wird schlüssig erzählt, zudem wird tief ins Seeleninnere des Quartetts geschaut. Vor allem Elettra ist nicht einfach ein aus der Sagenwelt stammender Racheengel, sondern eine Frau mit Willen - und Boesiger zeigt sich in famoser stimmlicher Verfassung. Zu Beginn zieht diese Elettra verborgen die Fäden, bald keimt ihre Hoffnung - und zuletzt schnappt sie sich verzweifelt . . . die Krone.