Christopher Alden scheitert an Mozarts "Entführung"

Wolfgang Schreiber, Süddeutsche Zeitung (14.09.2007)

Die Entführung aus dem Serail, 12.09.2007, Basel

Regisseur Alden, anders als sein Zwillingsbruder David Alden bisher wenig auf deutschsprachigen Opernbühnen gegenwärtig, sondern hauptsächlich in den USA und England, fühlt sich dabei vor allem von einem Bild angezogen, in das er das Stück hineinzwängt: ein Haus, grob gezimmert, das auch für Elternhaus steht, als äußere und innere Realität. Marsha Ginsberg hat es mächtig auf die kahle, nach hinten aufgerissene Bühne geklotzt, auf der ein gemalter Prospekt die Wüste, die Leere signalisiert. Und irgendwie kommen weder der Regisseur noch Mozarts Personal von dem Haus los, es dominiert die Aufführung fast penetrant durch eine Serie von Bildern und Aktionen, die ungeschickter oder läppischer kaum sein könnten. Angepeilte Themen wie Erwachsenwerden, Heimatlosigkeit, Kindheitszwänge, Flucht in die Vergangenheit und dergleichen, es wird nichts davon gezeigt und durchgeführt, alles bleibt in vager Behauptung. Unglücklicherweise hat sich Christopher Alden auch satirische Zivilisationskritik als vermeintliches Thema der "Entführung" in den Kopf gesetzt: Da sitzt Belmonte als Dachdecker auf dem Haus und klopft ohrenbetäubend Schindeln; die Flucht des Liebesquartetts aus dem Haus geschieht als Umzug von Hausratsmüll mit Waschmaschine, Stereoanlage, Mikrowelle, Möbelstücken. Aldens Ideen werden im Lauf der Aufführung leider immer abstruser: Ein monströser Plastikhund dient Belmonte als Spielzeug, und Hundegebell ertönt nach Bassas harschem Schlusswort. "Nichts fache das Feuer der Eifersucht an" singen die zwei Paare am Ende des Quartetts, dazu setzt Osmin tatsächlich das Häuschen in Flammen . . . Worum geht es Christopher Alden eigentlich - um Trivialpsychologie, Kostümkomödie, Westernoper, absurdes Theater, Traumspiel? Von all dem gibt es Spurenelemente. Aldens Personenführung hat kaum jemals Rhythmus, fließende Bewegung oder überhaupt Form. Man agiert vorzugsweise hölzern, unkoordiniert alltäglich. Die falsche Quintessenz der Oper ist ein zusammengebrochener Osmin, das gerettete Paar Konstanze-Belmonte liegt hingebreitet auf einer hässlich blauen Plastikplane. Im Verzweiflungsduett davor standen Konstanze und Belmonte völlig beziehungslos nebeneinander, zwei Steine haben mehr Geheimnis miteinander. So uncharmant, unlyrisch, unmusikalisch hat man Mozarts Musik selten abgebildet gesehen, wozu auch die Kostümierung in billig-unschöne Alltagsklamotten beiträgt. Laura Aikin, eine begnadete Lulu, singt die Konstanze mit unbedingter musikalischer Ausdruckshaftigkeit, die spitzen Töne der hohen Partie kann sie herausschleudern, als ginge es um Leben und Tod - was es bei Mozart ja tut. Als kraftvoll lyrischer Tenor ist der energische Belmonte von Rolf Romei ihr fast ebenbürtig, die Blonde von Agata Wilewska klingt keck, glockenrein und kratzbürstig, ihr Pedrillo wird von Karl-Heinz Brandt artig gesungen und schlaksig verkörpert. Stefan Kocán klingt als Osmin teilweise wie indisponiert, die raue vokale Schale verdeckt irgendeinen verletzbaren Kern. Was das Ensemble hier einfach nicht stemmen kann: Vorder- und Hintergründe von Mozarts "Entführung" in einen szenisch-musikalischen Einklang zu überführen.