Keine Revolution in Zürich

Tobias Gerosa, St. Galler Tagblatt (02.10.2007)

Andrea Chénier, 30.09.2007, Zürich

In Umberto Giordanos «Andrea Chénier» am Opernhaus Zürich steht die Liebesgeschichte im Zentrum, die Revolution verkommt zur blossen Hintergrundfolie. Musikalisch sprühen Funken, allerdings oft so laut, dass die hochklassige Besetzung in Nöte kommt. «Ohne drei herausragende Protagonisten braucht man diese Oper nicht auf den Spielplan zu setzen», sagt Dirigent Nello Santi. Das zentrale Trio harmoniert denn auch, obwohl alle drei mit ihren Rollen an dramatische Grenzen stossen.

Micaela Carosi als Maddalena singt beeindruckende Linien und nimmt die Lautstärke gern zurück, dann entfaltet ihr Sopran grosse Wärme – dem Schlussduett bleibt sie dramatisch aber einiges schuldig. Salvatore Licitra in der Titelpartie ist ein Naturbursche mit wenig darstellerischer Begabung, doch die strahlenden Töne helfen darüber hinweg. Lucio Gallo als Gérard verfügt zwar nicht über viele Stimmfarben, aber seine Figur wirkt am spannendsten. Alle drei sind auf der Bühne sich selbst überlassen – ein altbekanntes Problem in den Inszenierungen Grischa Asagaroffs mit Nello Santi. Reinhard von der Thannens Ausstattung karikiert mit ihren plakativ-plumpen Kostümen Adel wie Volk gleichermassen; der historische Hintergrund bleibt reine Äusserlichkeit.