Hochexpressives Meisterwerk

Alfred Ziltener, Der Landbote (06.11.2007)

Penthesilea, 03.11.2007, Basel

Grosser Opernabend am Samstag in Basel: Hans Neuenfels inszenierte Othmar Schoecks selten gespielte Oper «Penthesilea». Am Pult stand Mario Venzago.

Die Aufführung ist zunächst ein Triumph für den Komponisten. Seit seinem Tod vor genau fünfzig Jahren ist es um Othmar Schoeck auch in seiner Schweizer Heimat still geworden. Daran haben die regelmässig wiederkehrenden Neuentdeckungen seines Werks nichts zu ändern vermocht. Sein 1927 in Dresden uraufgeführtes, sperriges Musikdrama «Penthesilea» basiert auf der gleichnamigen Tragödie von Heinrich von Kleist. Erzählt wird von der leidenschaftlichen Liebe der Amazonenkönigin Penthesilea zum griechischen Helden Achilles, die sie ihr eigenes Volk verraten lässt und schliesslich dazu führt, dass sie den Griechen tötet und gemeinsam mit ihren Hunden zerfleischt.

Schoeck hat diese Vorlage stark gekürzt. Häufig ordnet er seine Komposition Kleists sprachgewaltigem Text unter und lässt ihn als Melodram sprechen. Die dramatischen Höhepunkte aber hat er in hochexpressive, kühne Musik gesetzt. Der Dialog der Liebenden mit seinen an Richard Strauss erinnernden melodischen Linien ist der einzige Ruhepunkt in diesem heftig vorwärtsdrängenden Einakter.

Farbenreiche Partitur

Ein Triumph ist der Abend auch für den Dirigenten, der sich seit Jahren immer wieder für Schoeck einsetzt. Für eine konzertante «Penthesilea»-Aufführung bei den Luzerner Musikfestwochen riskierte er 1999 gar sein ganzes Vermögen. Der Film «Mein Bruder, der Dirigent» von Alberto Venzago, der gerade in unseren Kinos anläuft, dokumentiert dieses künstlerische Abenteuer. Zusammen mit dem hervorragend spielenden Sinfonieorchester Basel entfesselt Venzago klangvoll die gewaltigen Eruptionen in der Partitur, spürt aber auch mit grosser Sorgfalt Schoecks subtilen Farbmischungen nach. Auf der Bühne steht ein insgesamt ausgezeichnetes Ensemble. Thomas Johannes Meyer ist ein kraftvoller Achill. Ursula Füri- Bernhard gibt Penthesileas Vertrauter Prothoe dramatische Durchschlagskraft. Mit Tanja-Ariane Baumgartners ebenmässigem, schlankem, lyrischem Alt ist die Titelfigur gegen die von stimmgewaltigen Wagner-Heroinen dominierte Rollentradition besetzt. Ihre Penthesilea ist eine noch mädchenhaft junge Frau, die von ihrer Leidenschaft in den Wahnsinn getrieben wird. Baumgartner gestaltet die Figur, ihren stimmlichen Möglichkeiten entsprechend, wunderbar phrasierend ganz von innen heraus, oft im Pianobereich.

Konzentrierte Regie

Neuenfels, der sich im Lauf seiner Karriere immer wieder mit Kleist beschäftigt hat, erzählt die Geschichte ganz konzentriert, in stimmigen Bildern. Er gibt jeder der Figuren scharfes Profil und hat offenbar sehr intensiv an der Sprache gearbeitet. Die kühle Ästhetik der Ausstattung von Gisbert Jäkel und Elina Schnizler verbindet Antike, Kleists Preussenstaat und Art déco der Zwanzigerjahre. Das Publikum zeigte sich begeistert über dieses eindrückliche Plädoyer für ein zu Unrecht vernachlässigtes Meisterwerk. Wer mochte, schaute sich nach der Aufführung die kleine Ausstellung zu Schoecks Leben und Werk an, die bis Mitte Dezember im Theaterfoyer zu sehen ist.