Marianne Zelger-Vogt, Neue Zürcher Zeitung (04.12.2007)
«Il trovatore» von Giuseppe Verdi im Zürcher Opernhaus
Früher galt die Handlung von Giuseppe Verdis «Trovatore» als abstrus und unverständlich, dann entdeckte man ihre Sprunghaftigkeit als modernes dramaturgisches Prinzip. Seither spricht man respektvoll von Diskontinuität. Dabei gerät leicht in Vergessenheit, dass es in diesem romantischen spanischen Schauerdrama ein Leitmotiv durchaus gibt: das Feuer. Schon in der ersten Szene ist davon die Rede: Ferrando (der stimmlich zu leichtgewichtige Giuseppe Scorsin) erzählt den Gefolgsleuten des Grafen Luna, wie die Mutter der Zigeunerin Azucena als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden sei und wie Azucena sich gerächt habe, indem sie den einen Sohn des alten Grafen in die Flammen warf (dass sie dieses Kind mit ihrem eigenen verwechselt hat, weiss der Erzähler nicht). Später sieht man die Zigeuner um ein Feuer versammelt, und noch in der letzten Szene wird Azucena vom Schreckensbild der «orrida fiamma» verfolgt.
Schwarz und weiss
In der Zürcher Neuinszenierung von Giancarlo del Monaco (Regie) und Peter Sykora (Ausstattung) gibt es jedoch kein Feuer, dafür Schnee und dampfende Nebelschwaden in Hülle und Fülle. Rot sind nur Leonoras Kleid und Azucenas Haare, alles Übrige – Wände, Kostüme, Requisiten – ist schwarz. Die wenigen Elemente, welche die offene Bühne strukturieren – ein riesiges Kanalrohr als Behausung der Zigeuner, ein Tor im Kloster, Kandelaber in Lunas Kriegslager, ein Steg in seinem Palast, ein Gitter mit Fleischerhaken zur Fesselung Manricos und Azucenas im Kerker –, sind alle aus kaltem Metall geformt. Ohne Feuer kann es auch keinen Amboss geben, und so tragen die Zigeuner, statt zu hämmern, einen Ringkampf aus. (Lunas Leute üben sich vornehmer in einer asiatischen Kampfsportart, um am Schluss Manrico mit ihren Schlagstöcken töten zu können.)
Wie das Feuer ein Leitmotiv der Handlung, so ist dessen Fehlen ein Kennzeichen der Inszenierung. Ohne erkennbare Motivation schiebt del Monaco die Figuren und den Chor (Leitung Jürg Hämmerli) hin und her. Im ersten Teil erinnert er mit Rüstungen und Speeren an die originale Handlungszeit im frühen 15. Jahrhundert, dann macht er einen grossen Zeitsprung. Wie in heutigen Bürgerkriegen sollen sich eine mafiöse Oberschicht und eine aus dem Untergrund agierende Guerilla gegenüberstehen. Doch das alles ist leeres Konstrukt. Die Darsteller agieren ungelenk und hilflos, als befänden sie sich auf der ersten Bühnenprobe. – Warum nur setzt Alexander Pereira immer wieder auf dieses Regieteam?
Klingende Sängernamen
Die Frage stellt sich auch in Bezug auf den Dirigenten: Warum wieder Adam Fischer für Verdi? Gewiss, er versucht dessen Musik zu verfeinern, die lyrischen Momente gegenüber den überhitzt ekstatischen zu betonen, die rhythmischen Kanten zu glätten, die Dynamik zu zügeln. Doch immer wieder geht das auf Kosten der rhythmischen Präzision, der dramatischen Entwicklung und Kohärenz. So auch bei dieser Produktion, die das Orchester der Oper Zürich nicht in Bestform zeigt.
Warum, könnte man schliesslich fragen, immer wieder Leo Nucci, selbst in Rollen, für die er an Jahren um mehr als eine Generation zu alt ist? Hier fällt einem die Antwort nicht schwer. Nuccis Luna ist noch immer von einer darstellerischen Präsenz und sängerischen Souveränität, für die man ihn nur bewundern kann, mag die Resonanz seines Baritons auch etwas nachgelassen haben. Schier unbeschränkt sind die vokalen Ressourcen von Luciana d'Intino, die eine jugendliche, gelegentlich auch in der Stimmführung wilde Azucena vorstellt. Cristina Gallardo-Domâs hat ihre eindrücklichsten Momente in den leiseren, lyrischen Abschnitten. Für Leonoras Leidenschaft jedoch fehlt es ihrem Sopran an dramatischer Kraft und dunklen Tönen. Marcelo Alvarez bewältigt die effektvolle Titelpartie bis auf kleine Nahtstellen in den Registerübergängen problemlos, sein Tenor klingt robust, entwickelt in der höheren Lage auch einigen Schmelz und verfügt über einen festen Kern. Für einen grossen Verdi-Abend ist die Besetzung aber doch nicht glanzvoll und homogen genug. – Auffallend rasch leerte sich nach dieser fünften Premiere seit Saisonbeginn das Haus.