Susanne Kübler, Tages-Anzeiger (04.12.2007)
Das Zürcher Opernhaus hat einen neuen «Trovatore». Die Inszenierung ist ärgerlich, die Musik nur wenig besser.
Schon mehrfach hat Giancarlo del Monaco Giuseppe Verdis «Trovatore» inszeniert, da kommt man wohl irgendwann auf entlegene Ideen. So hat er für die Zürcher Aufführung beschlossen, eine der unwahrscheinlichsten Handlungen der ganzen Operngeschichte für zeitlos zu erklären. In Kettenhemd und Hörnerhelm erzählt ein mittelalterlicher Ferrando die grausige Geschichte der Zigeunerin, die des Grafen Sohn raubte, nachdem ihre Mutter auf dem Scheiterhaufen verbrannt war. Die Zigeunerin selbst lernen wir dann als Punkrockerin kennen: schwarz die Nietenjacke, knallrot das Haar, grau der Schacht, in dem sie mit ihrem Sohn-Ersatz Manrico haust. Nur das viele, viele Trockeneis hat die Jahrhunderte überlebt.
Sportliche Verzweiflung
Nicht, dass das der sowieso schwierigen Story irgendeinen Sinn geben würde. Aber vielleicht wollte das del Monaco auch gar nicht; vielleicht ging es ihm darum, das Disparate, Episodenhafte von Verdis Oper zu betonen. Überarbeitet hat er sich allerdings auch dabei nicht. Man mag sich vorstellen, wie er mit seinem Ausstatter Peter Sykora zusammengesessen ist und düstere Orte gesucht hat: Ja genau, Kanalisation, Brücke, Drahtverhau, und dann ein Metallisé-Vorhang - perfekt.
Auch bei den Bösewichten war man sich wohl schnell einig: Mafia ist immer gut, entsprechende Hüte und Regenmäntel finden sich in jedem Kostümfundus, und dass die Schwerter ein wenig deplatziert wirken in diesem Zusammenhang, ist ein Detail; zu Manricos Black-Block-Bande passen sie ja schliesslich auch nicht. Hauptsache, es sieht effektvoll aus, und das tut es auch bei Manricos Geliebter Leonora, die ins Kloster will, aber unter ihrer Kutte schon mal das rote Abendkleid trägt. Die Rückkehr zu Liebe und Weltlichkeit fällt dann leicht.
Das Premierenpublikum goutierte das nicht, del Monaco und Sykora wurden ausgebuht. Den Applaus für die musikalischen Protagonisten kann man im Vergleich dazu verstehen - obwohl auch bei ihnen manches im Argen lag. Der ungarische Dirigent Adam Fischer, «Trovatore»-Habitué auch er, liess zwar manchmal (und gegen Ende des Stücks immer häufiger) etwas von Verdis raffinierter Instrumentation zur Geltung kommen. Aber insgesamt bestritt er den Abend nach der zweifelhaften Formel «dramatisch = laut + schnell».
Die Verzweiflung der Protagonisten bekam so etwas Sportliches; Ferrando (Giuseppe Scorsin) hätte sich mit seinem «Di due figli» glatt für die Staccato-Weltmeisterschaften bewerben können. Was an Erotik, Beklemmung und Wahnhaftigkeit in der Partitur liegt, fegte das Orchester effizient hinweg, allerdings nicht immer gleich schnell wie jene auf der Bühne. Und nicht nur tempomässig haperte es bei der Koordination: Die Chöre waren oft zu leise, sodass selbst die eigentlich unverwüstliche Wirkung von Verdis Stereo- und Multiplo-Stücken verpuffte.
Lichtblick Azucena
Die Sängerinnen und Sänger taten dagegen, was sie konnten. Es war unterschiedlich viel. Luciana D’Intino als Zigeunerin Azucena sorgte mit voller Tiefe und vielen Zwischentönen für die einzigen wirklichen Lichtblicke. Leo Nucci als Conte di Luna lieferte sonore Routine, Marcelo Álvarez ist als Manrico ein Tenor, wie es sich gehört, mit schönem Timbre und wenig Interesse an leisen Tönen. Damit passt er bestens zu seiner Geliebten: Cristina Gallardo-Domâs’ Leonora singt vor allem laut - und damit noch kehliger, noch prekärer im Registerausgleich als sonst.
Am Ende sind Leonora und Manrico tot, der Conte di Luna wäre es gern, und auch die Azucena hängt bedenklich in den Fesseln im blitzblank schwarz geplättelten Gefängnis. Erschütterung will sich keine einstellen. Dafür hätten die Figuren vorher irgendwie lebendig werden müssen.