Zürichs «Trovatore» verblüfft mit Trockeneis im Abflussrohr

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (04.12.2007)

Il Trovatore, 02.12.2007, Zürich

Opernglanz in Zürich: Ein Sängerquartett von höchstem Format machte Verdis «Trovatore» am Sonntag zum Stimmenfest. Dennoch litt die Premiere unter massiven Koordinationsmängeln, und die Inszenierung wurde zu Recht ausgebuht.

Es gab schon glücklichere Premieren am Zürcher Opernhaus als am Sonntag bei Giuseppe Verdis «Il Trovatore». Deutlich machte das Premierenpublikum seinem Unmut über die Inszenierung Luft. Das Sänger-Ensemble trug daran jedoch keine Schuld. Ein wenig kämpfte Cristina Gallardo-Domâs in ihrer Auftrittsarie noch mit Linien und Farben. Dann aber, Nummer um Nummer, Arie um Duett und Ensemble gab es nichts mehr zu mäkeln an diesem grossartigen Stimmen-Quartett: Gallardo-Domâs als Leonora mit wunderbar leichten Höhen und schön geschwungenen Linien; Luciana D'Intino als Zigeunerin Azucena mit ihren elektrisierenden Farben und Attacken, denen sich niemand entziehen konnte; Leo Nucci als Graf Luna, auch mit weit über 60 Jahren noch immer ein Wunder an Stimmführung, Stilsicherheit und vokaler Kraft; und Marcelo Alvarez als Manrico mit strahlendem Tenor, der nur ganz am Schluss ein paar wenige Kratzer im glänzenden Lack zugestehen musste.

Munter durch die Jahrhunderte

Ein völlig anderes Bild bot die Inszenierung. Die beste Szene war noch der Zigeunerchor: keine Ambosse, Saufgelage und Lagerfeuer, sondern ein gigantisches Abwasserrohr und ein Ringkampf, der noch zehnmal besser wurde, weil man hinterher erfuhr, dass statt der verspäteten Profi-Ringer spontan zwei Mitglieder des Chors die Szene mimten, und das sehr überzeugend. Chapeau, das ist lebendiges Theater!

Ansonsten lebte nicht viel in Giancarlo del Monacos «Trovatore»-Inszenierung. Munter hüpfte er durch die Jahrhunderte, was die verwandtschaftlichen Beziehungen der Geschichte ein wenig ad absurdum führte und auch sonst nicht allzu viel brachte ausser viel Trockeneis-Nebel und mystische Wikinger-Rüstungen im Schneesturm des Eingangsbilds. Nichts gegen die Gitter, Brücken, Kanalisationsrohre oder Folterkeller, die Peter Sykora hinstellte: So austauschbar sie auch waren, so machten sie immerhin die düstere Atmosphäre des Stücks deutlich.

Aber da, wo das Handwerk eines Regisseurs gefragt wäre, in der Personenführung, zeigte sich eine unglaubliche Einfalt. Bewegen durfte sich nur, wer gerade zu singen hatte. Minutenlang stand Graf Luna neben seinem Rivalen, um dann plötzlich loszutoben, wenn seine Musik erklang: Peinlich und plump. Dass Luna zwischendurch zum Kendo-Kämpfer avancierte, ist wohl als Verneigung vor der koproduzierenden Oper Shanghai zu verstehen. Fragt sich nur, ob die Chinesen angesichts historischer Erfahrungen so viel Freude an japanischer Kampfkultur haben. Ein Desaster müssen auch die letzten Proben gewesen sein: Aus obskuren Gründen fiel die Generalprobe aus, aber so etwas liegt heute nicht mehr drin. Blindes Verständnis gibt es nicht in einem Opern-Universum, das so international wie stilistisch vielfältig geworden ist. Amüsant zwar, mitzuverfolgen, wie sich die Protagonisten in ihren Duetten ein zähes Ringen um das richtige Timing lieferten - aber vielleicht sollte man Showkämpfe doch besser den Chorsängern überlassen ...

Weder Fisch noch Vogel

Adam Fischer am Dirigentenpult war kein Schiedsrichter und keine Hilfe, sondern offensichtlich mit Händen und Füssen damit ausgelastet, Bühne und Orchester zusammenzuhalten. Und nicht immer reichte das aus. Übergänge waren in der Regel Wackelzonen. Und dass damit in diesem Stück, das so schonungslos auf das düstere Ende hinzielt, immer wieder Irritationen den Fluss stoppten, war doppelt schade, weil ansonsten sehr gut musiziert wurde. Klanglich jedenfalls waren sowohl Chöre wie Orchester auf der Höhe ihrer Aufgaben. Vermessen dagegen die Frage nach einem musikalischen Konzept unter diesen Umständen: Fischer war weder Fisch noch Vogel. Manches geriet ihm fahrig, anderes wieder betulich, gerade den Sog auf die Finali hin, die Atemlosigkeit dieser grandiosen Untergangs-Spirale verschenkte er sang- und klanglos.