Immer lächeln mit Diktatoren

Tobias Gerosa, St. Galler Tagblatt (17.12.2007)

Das Land des Lächelns, 15.12.2007, Basel

«Das Land des Lächelns» am Theater Basel

Am Theater Basel macht Regisseur Peter Konwitschny das «Land des Lächelns» von Franz Lehár zu einer bestechenden Weltparabel. Er wird seinem Ruf als phantasievoller Regisseur gerecht.

«Immer nur lächeln – doch wie's hier drin aussieht, geht niemand was an»: Für Prinz Sou-Chong in Franz Lehárs «Land des Lächelns» ist dies das Motto, um zuerst als Gesandter in Wien und dann als Premierminister in seiner chinesischen Heimat Fassade und Herz auseinanderzuhalten. In der Basler Neuinszenierung, die am Samstag Premiere hatte, wird es zur verheerenden Formel, an der die Welt zugrunde geht. Regisseur Peter Konwitschny wird seinem Ruf als phantasievoller, kluger und ungemein genauer Regisseur, der unter die Oberfläche schaut, voll gerecht.

Gekonnte Demaskierung

Während der Ouverture grinst das Wiener Operettenpersonal ins Publikum. Die Inszenierung spielt im ersten Akt mit den Klischees der Gattung und den Publikumserwartungen und demaskiert sie durch gekonnte und witzige Übertreibung. Dem Basler Chor und Ensemble macht das Spass.

Konwitschny bricht die kulturellen Unterschiede zwischen chinesischem Prinz und Wiener Gräfin hinunter, indem er während seiner Auftrittsarie zum Chinesen gemacht wird: Die Unterschiede sind nicht naturgegeben. So rückt Konwitschny aus Text und Musik andere, tiefere Mechanismen ins Bild, die hinter der folkloristischen Fassade herkömmlicher Interpretationen verschwinden. Erster Dreh- und Angelpunkt ist das «Immer lächeln» als männliches Grundprinzip, das der ganzen Welt schlecht bekommt. Als Sou-Chong im 2. Akt mit Lisa ins maoistische China zieht, wird er dort in einer grossen Zeremonie in sein Amt eingesetzt. Konwitschny lässt Napoleon, Hitler und Stalin zusammen mit anderen Diktatoren dazu als Staatsgäste einziehen. In der Ballettmusik zeigen sie, was sie mit «Immer nur lächeln» verstehen. Die Mittel unterscheiden sich, das Resultat der Gemetzel der Weltgeschichte ist identisch. So rabenschwarz die Bilder auch sind, die Übertragung wirkt keineswegs aufgesetzt, sondern folgerichtig und auch musikalisch wohlbegründet. Dem Dirigenten Bartholomew Berzonsky gelingt diese harte Marzialität deutlich besser als der Schmäh, so wenig orchestraler Zusammenhalt wie in der Ouverture ist auf diesem Niveau selten zu hören.

Keine Sentimentalität

Sou-Chongs Liebe gerät unter Druck der politischen Logik. Wo Tenöre sonst ihr «Dein ist mein ganzes Herz» ins Publikum schmettern, wird es hier zum bewegenden Kampf um Lisa. Wie Konwitschny die glänzenden Protagonisten Thomas Piffka und Tatjana Gazdik (die allerdings manchmal nur schwach hörbar ist) hier und im folgenden Duett führt, jede Sentimentalität umgeht und die Figuren in ihren Gefühlen ernst nimmt, lohnt schon allein die Fahrt nach Basel.

Doch die Machtwelt setzt sich gegenüber der unwahrscheinlichen Liebe durch. Lisa wird zur heutigen Migrantin, ihr Herz mit einem Text von Heiner Müller zu einem Ziegelstein. Wo Sou-Chong Lisa am Schluss nach Wien zurückkehren lässt, setzt Konwitschny folgerichtig auf die schlimmstmögliche Wendung und demonstriert die schwärmerische Liebesmusik nochmals als Utopie einer besseren Welt. Sie könnte weiblich sein, wie Lisa.