Frank Gerber, Blick (17.12.2007)
Operette oder schon Oper? Regiestar Peter Konwitschny macht aus dem Lehár-Hit einen intellektuellen Hochgenuss. Stürmischer Applaus.
Hitler hat keine Ahnung von Musik. Franz Lehár ist sein Lieblingskomponist, «Das Land des Lächelns» seine Lieblingsoperette. Die jüdischen Librettisten werden aus dem Programmheft gestrichen, einer wird in Auschwitz ermordet.
Aber der «Führer» überhört, dass die Musik alles andere ist als eine Verherrlichung seines Kults. Die Komposition löst jede vordergründige Bombastik umgehend in Dissonanz auf.
Das Werk von 1929 muss sich die Frage gefallen lassen, ob es überhaupt eine Operette ist. Es gibt kein Happy End, keine Operettenseligkeit. Und keinen Kitsch.
Endlich nimmt einer dieses tolle Stück richtig ernst. Der Regisseur Peter Konwitschny (62) inszeniert es als grosse Oper. Kümmert sich nicht um verzuckerte Sehgewohnheiten. Sein «Land des Lächelns» ist nicht traurig, sondern tragisch. Mit zwei Toten.
Die gelangweilte Grafentochter Lisa (Tatjana Gazdik) verliebt sich in Wien in den chinesischen Gesandten Prinz Sou-Chong (Thomas Piffka). Überstürzt reisen sie ab in seine Heimat. In seinem Palast entwickelt er sich - unter dem Einfluss der Konventionen - zum Macho-Ekel. Lisas Jugendfreund Gustl ist nachgereist und will ihr zur Flucht verhelfen. Doch zu spät, der Plan fliegt auf. Anders als im Original lässt in der Basler Version der Prinz daraufhin beide töten.
Die Toten und die Überlebenden: Alle sind Verlierer. China steht dabei nur für den Wunsch nach Exotik, nach Ausbruch. China könnte überall sein, Hauptsache neu und spannend. Die Exotik wird verfremdet und als Mädchentraum entlarvt. Prinz Sou-Chong betritt die Bühne als weisser Europäer. Singend und vor den Augen des Publikums lässt er sich vom Maskenbildner mit Schminke und Perücke zum Chinesen stylen.
Die Musik enthält viele Ohrwürmer. «Trinken Sie mit mir ein Tässchen Tee» oder «Meine Liebe, deine Liebe». Passend zur Inszenierung dirigiert sie Bartholomew Berzonsky nicht als Schlager, sondern als Opernmusik. Die Stücke verlieren dadurch das Tänzerische, bestechen dafür durch eine raffinierte Schönheit, die man diesen Wunschkonzertmelodien gar nicht zugetraut hätte.
In scharfem Kontrast dazu stehen die deftigen politischen Statements. Etwa wenn die grossen Diktatoren der Weltgeschichte dem Prinzen ihre Aufwartung machen.
Zu lachen gibts nichts, zu geniessen sehr viel: brillante Sänger in einer intelligent sezierten Operette.