Es wird scharf geschossen im «Land des Lächelns»

Susanne Kübler, Tages-Anzeiger (18.12.2007)

Das Land des Lächelns, 15.12.2007, Basel

Nach 15 Jahren inszeniert der deutsche Opern-Regiestar Peter Konwitschny wieder in Basel. Genau, musikalisch und nur ein bisschen missionarisch.

Was tun zwei, wenn sie so richtig verliebt sind? Sicher nicht singen - das ist eines der Probleme, mit denen sich Opernregisseure seit jeher herumzuschlagen haben. Peter Konwitschny hat nun in Franz Lehárs «Land des Lächelns» eine bestechende Lösung gefunden: Die Wiener Grafentochter Lisa und der chinesische Prinz Sou-Chong unterbrechen ganz einfach ihr Duett, fallen sich um den Hals, rollen über den Boden - bis der Dirigent sie bittet, endlich weiter machen zu dürfen.

Es ist ein typischer Konwitschny-Gag, weil es eben mehr ist als nur ein Gag. Der Leipziger Regisseur, der schon in Basel inszeniert hat, als ihn andere westliche Bühnen noch nicht zu engagieren wagten, bürstet die Werke ganz entgegen seinem Ruf nicht à tout prix gegen den Strich. Er nimmt sie ernst, auch und gerade die Operetten; und er achtet dabei nicht nur auf den Text, sondern weit mehr noch auf die Musik. Auch bei Lehár, mit dem er nun dank einer Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin nach Basel zurückgekehrt ist, hat er brüchige und falsche Töne gehört, wo andere nur Schmalz orten - und das Publikum hört dank der starken Bilder auf der Bühne mit. Der Jubel nach der Premiere hat gezeigt, wie sehr.

In Basel wird das Stück zur Tragödie

Es ist alles ein bisschen drastischer als gewohnt in diesem «Land des Lächelns». Der Graf Gustl, der die Lisa gerne heiraten möchte, ballert nach ihrer Absage ziemlich unbeherrscht zwischen Miniaturen des Stephansdoms und des Prater-Riesenrads herum. Lisa selbst findet auf ihrer Suche nach Exotik ein China, das sich hinter sehr westlichen Rollläden verschanzt. Und am Ende, wenn die Liebe zwischen Lisa und Sou-Chong endgültig gescheitert ist, gibts Tote - nicht nur wie im Original eine Abreise ins Irgendwo. Schon Lehár hatte seiner Operette in ihrer zweiten, erfolgreichen Version von 1929 das ursprüngliche Happyend entzogen; in Basel wird das Stück nun endgültig zur Tragödie.

Das heisst nicht, dass es nichts zu lachen gäbe. Schon während der Ouvertüre, wenn die gesamte auf der Bühne versammelte Belegschaft ein verkrampftes Lächeln anknipst, tut der böse Witz des Regisseurs seine Wirkung. Auch später blitzt er immer wieder auf: Nicht nur Gustl, auch Konwitschny schiesst scharf, und im Gegensatz zum Grafen trifft er - etwa wenn sich Sou-Chong erst einmal zum Chinesen schminken lassen muss. Man ist, was man zu sein akzeptiert, das liesse sich gar nicht schöner zeigen.

Aber noch prägender als die auch von den Ausstattern Jörg Kossdorff und Michaela Mayer-Michnay gepflegte Lust an skurrilen Details ist in dieser Aufführung Konwitschnys Drang zu grossen Themen. So sehen wir zweifelhafte Herrscher vom Neandertaler über Hitler bis zu George W. Bush beim hinreissend choreografierten Waffenballett. Wir hören Frauen aus aller Welt Heiner Müllers «Herzstück»-Dialog deklamieren. Und wir verstehen: Der Machtrausch ist zu allen Zeiten tödlich, und die Unterdrückung der Frau ist ein globales Phänomen.

Es gehört zu Konwitschnys Stil, dass er gesellschaftspolitisch Partei ergreift. Er hat es in der Stuttgarter «Götterdämmerung» getan, indem er die Demütigung der Brünnhilde bis an die Schmerzgrenze trieb, und erst recht in der Hamburger «Lulu», in der die Männer kaum zwischen einer Person und einer Puppe unterscheiden konnten. Hier nun allerdings wirken diese Statements etwas gar allgemein - und damit gelegentlich auch ziemlich missionarisch.

Aber das macht fast gar nichts. Die Operettenmaschinerie wird dennoch ganze drei Stunden lang in Gang gehalten, genau, bunt, musikalisch. Die Musik selbst kann da nicht immer mithalten. Der neu gewählte Kapellmeister Bartholomew Berzonsky bemüht sich zusammen mit dem Sinfonieorchester Basel zwar sehr um Schwung und Kontraste. Er bremst und treibt an, er sucht den saftigen Sound in den wienerischen und den schwebenden Ton in den orientalisierenden Passagen. Aber die Musik hebt nicht ab, und sie trägt deshalb auch nicht über die Pausen hinweg, die Konwitschny nicht nur im Liebesduett einbaut; mit dem Klang erlischt meist auch die Spannung.

Im Gesang wäre sie da - nur hört man es teilweise nicht. Vor allem die stimmlich wunderbare, aber allzu leichte Lisa von Tatjana Gazdik wird oft übertönt. Phonstärker und doch nie grob tritt Thomas Piffka auf: Sein Sou-Chong hat exakt die richtige Mischung aus Stahl und Schmalz in der Stimme. Lächeln tut er übrigens nicht einmal verkrampft. Er hat keinen Grund dazu in dieser Inszenierung, die jegliche Operettenseligkeit so entschieden von der Bühne räumt.