Singende Fanatiker

Tobias Gerosa, St. Galler Tagblatt (24.12.2007)

La Juive, 22.12.2007, Zürich

Halévys «La Juive» am Opernhaus Zürich

Soll man die Grand Opéra mit ihrem Schaugepränge aus der Versenkung holen und reaktivieren? Vielleicht schon, aber gelingen kann das so nicht, wie es das Opernhaus Zürich mit Jacques Fromental Halévys «La Juive» tut – trotz Neil Shicoff.

Frankreich statt Konstanz, 19. Jahrhundert statt Konzil: Im Opernhaus Zürich verlegt der Bregenzer Intendant David Pountney die Handlung von Halévys religionskritischer Grand Opéra, erzählt die Geschichte aber zu lange unspezifisch. Da opfert ein jüdischer Fanatiker Éléazar das Mädchen, das er einst aus einem brennenden Haus rettete. Es war die Tochter des christlichen Fanatikers und jetzigen Kardinals Brogni, der die Söhne des Juden umbringen liess. Dass im Drehbühnenbild Robert Israels die geistlichen Bannsprüche und Urteile vor einem Bild des neugeborenen Jesuskindes verkündet werden, zeugt bei der vorweihnachtlichen Premiere von scharfer Ironie.
Transformation ohne Gewinn

Doch der mittelalterliche Hass auf die Juden als Sündenböcke und Fremden ist dem Antisemitismus der französischen 1890er- Jahre nicht einfach gleichzusetzen. Der Handlungsstrang, dass der christliche Heerführer Léopold ein Verhältnis mit der schönen angeblichen Jüdin Rachel hat, verliert dadurch gar an Brisanz – und Celso Albelo mit wunderbar hellem Tenor tut darstellerisch wenig für die Glaubwürdigkeit seiner Figur. Weil die Regie mehr auf Organisation der Bilder denn Personenführung setzt, kommt die Aufführung erst mit den Duetten nach der Pause richtig in Gang. Als Rachel blüht Angeles Blancas musikalisch wie szenisch auf und gestaltet mit sicherer Technik eine starke Frau. Malin Hartelius als Prinzessin Eudoxie glänzt mit perlenden Läufen, während Alfred Muff als Kardinal Brogni mit Sprache und Lage kämpft. Der ungeheuren Intensität und Eindringlichkeit von Neil Shicoffs Éléazar fehlt so der starke Gegenspieler.
Zu undifferenziert

Musikalisch sorgt Dirigent Carlo Rizzi für ein robustes Fundament, das man sich aber deutlich differenzierter und im Gestus französischer wünschte. Die von Renato Zanella choreographierten Balletteinlagen machen eher deutlich, warum diese genretypischen Einschübe meist gestrichen sind. Trotz alledem bleibt die Begegnung mit einem spannenden Stück, das die Auseinandersetzung lohnt.