Farbenfroh und herzerwärmend

Silvia Minder, Thurgauer Zeitung (24.12.2007)

Carmen, 22.12.2007, St. Gallen

Farbenfroh und herzerwärmend ist Bizets «Carmen», die am Samstag am Theater St. Gallen Premiere gefeiert hat. Die Oper, inszeniert von Franziska Severin, gefiel dem Publikum. Begeisterungsstürme blieben aber aus.

Draussen klirrende Kälte im winterlichen St. Gallen, auf der Bühne des Stadttheaters farbenfrohe Stimmung: Die Gäste der Premiere von «Carmen» erwartete kurz vor Weihnachten zwar keine festliche, aber eine herzerwärmende Opernaufführung.

Mit der der spanischen Stadt Sevilla spielenden Opéra comique in vier Akten von Georges Bizet (1838–1875) zeigt das Theater St. Gallen eine der beliebtesten und meistgespielten Opern der Musikgeschichte und bietet damit angenehme Unterhaltung. Ein Genuss ist die Musik. Die Uraufführung fand am 3. März 1875 in der Opéra-Comique in Paris statt.

Traum aller Männer

Die berühmten Arien wie «Auf, in den Kampf, Torero» reissen mit. Das Sinfonieorchester unter der Leitung des international gefragten Dirigenten Frédéric Chaslin macht seine Arbeit mehr als gut.

Das schwelgerische Stück in französischer Sprache porträtiert die Zigeunerin Carmen (Mary Ann McCormick) – Traum aller Männer. Tagsüber arbeitet sie in einer Tabakfabrik. Nachts verdreht sie den Männern in einer Kneipe am Rand der Stadt den Kopf.

Auch Sergeant Don José (Javier Palacios) verliert sein Herz und wird wegen Carmen seiner Geliebten Micaëla (Angela Fout) untreu. Als der Sergeant Carmen wegen einer Messerstecherei verhaften soll, lässt er sie fliehen und lädt damit den Zorn von Leutnant Zuniga (Tijl Faveyts) auf sich.

Nicht nur die Pflichtverletzung erbost den Chef, sondern auch, dass der Sergeant besser ankommt bei der schönen Zigeunerin. Denn Zuniga ist selbst mehr als angetan von der leidenschaftlichen Frau. Don José verlässt seine Geliebte, quittiert den Dienst beim Militär und geht mit Carmen zu den Zigeunern und Schmugglern.

Die freiheitsliebende und lebenslustige Carmen, die sich bisher auf keinen Mann festlegen mochte, verfällt jedoch dem Charme und der Eleganz des Stierkämpfers Escamillo (Angelo Veccia). Von Eifersucht und Verzweiflung überwältigt wird Don José zum Mörder seiner Angebetete.

Fehlende Erotik

Die Solisten wussten zu gefallen und sangen sich rasch in die Herzen der Premierengäste. Einzig die amerikanische Mezzo-Sopranistin Mary Ann McCormick überzeugt nicht ganz in der Rolle der Carmen. Ihr Gesang ist wunderbar, doch die verhaltenen Bewegungen der schwergewichtigen Künstlerin passen nicht zum Bild einer erotischen, feurigen Frau.

Die spannungsvolle Geschichte wird vom Theater St. Gallen mit hohem Tempo gespielt. Es ist immer etwas los, zeitweise sind über 50 Figuren auf der Bühne. Jeden Moment gibt es etwas zu sehen und zu hören. Keine Sekunde ist den Zuschauern langweilig.

Packende Chöre

Das farbenprächtige Durcheinander lässt das faszinierende Bühnenbild, das mit einfachen Bauten auskommt und dennoch dank eindrücklicher Projektionen glänzt, manchmal fast verschwinden in den Menschenmassen.

Packend und schön sind die vielen stimmgewaltigen Auftritte des Opernchors des Theaters und des Singschulchors der Musikschule St. Gallen. Die Statisten des Theaters und der Theatertanzschule vervollkommnen die farbenprächtige Aufführung.