Opern-Hit als Disco-Verschnitt

Frank Gerber, Blick (21.01.2008)

Rigoletto, 19.01.2008, Bern

Verdis «Rigoletto» im Stadttheater Bern

Die Bundesstadt ist erwacht am Samstag. Nicht wegen der Anti-WEF-Demo. Sondern wegen der Oper «Rigoletto» am Stadttheater.

Polizisten bewachen leere Strassen. In Parkhäusern und Restaurants: gähnende Leere. Die Ausgänger sind zu Hause geblieben. Grund: die befürchtete Stadtverwüstung.

Nur die Oper ist ausverkauft. Im Herbst hat Marc Adam das Haus übernommen und jetzt den ersten Knaller präsentiert. Beim Schluss- applaus geraten sich die Bravo- und die Buh-Rufer fast in die Haare. Immer wieder wird das Regieteam um Reto Nickler (46) herausgeklatscht, immer wieder wird es ausgebuht. Das gabs im braven Berner Theater noch nie. Die Inszenierung polarisiert wie jede gute Inszenierung.

Der verkrüppelte Hofnarr Rigoletto will verhindern, dass seine Tochter amouröses Opfer seines Arbeitgebers wird. Aber prompt verliebt sich Gilda in den herzöglichen Frauenhelden. Rigoletto sieht nur einen Ausweg: Er will ihn töten lassen. Gilda kriegt das mit, und nach einer Verwicklungsgeschichte lässt sie sich - freiwillig, aber inkognito - anstelle des Herzogs töten.

Die Berner Inszenierung entmenschlicht die ganze tragische Liebesgeschichte. Sie findet nur noch auf und in Bildschirmen statt. Der Herzog wohnt in einem überdimensionalen Fernsehkasten, und die «richtigen» Gefühle werden über Video eingespielt. Die wehmütige Erinnerung an Rigolettos verstorbene Frau etwa ist ein Familienfilmchen aus glücklichen Tagen. Diese elektronischen Regieeinfälle vermitteln den Opernklassiker ganz ausgezeichnet. Zumindest im zweiten Teil. Der erste Akt kommt nicht vom Fleck, da werden vor allem die Wände des Fernsehpalastes rumgeschoben.

Höhepunkt ist «La donna è mobile», die bekannteste Opernarie überhaupt. Sie wird sogar in der Pizza-Werbung verbraten. Nickler findet einen überzeugenden Weg, das wunderschöne, aber abgedroschene Stück Musik zu inszenieren: Der Herzog singt es als Disco-sternchen. Im lila Anzug, mit Nebelschwaden und «Playboy»-Bunnys. Dazu zeigen die Monitore Szenen aus seinem Sexleben. «Oh, wie so trügerisch sind Weiberherzen» lautet der Text übersetzt.

Mit diesem «Rigoletto» hat Bern zurzeit die spannendste Opernproduktion der Schweiz.