Der Herzog im Superstar-Casting

Herbert Büttiker, Der Landbote (21.01.2008)

Rigoletto, 19.01.2008, Bern

Der Versuch, «Rigoletto» im heutigen TV-Format zu erzählen, führt im Berner Stadttheater statt zur Bündelung der Kräfte eher zur Zapp-Zerstreuung.

Geprägt ist der neue Berner «Rigoletto» wesentlich durch die Bühnenbildner des Künstlerduos, das sich Fettfilm (Momme Hinrichs und Torge Moeller) nennt und sich auf mit Video angereichertes Inszenieren spezialisiert hat. In dieser Inszenierung machen sie TV und Video nicht nur zum optischen Akteur in der Bühnenerzählung, sondern auch zum Thema. Zusammen mit dem Regisseur Reto Nickler haben sie Verdis Drama als ein Stück über Fernseh- und Popkultur zu gestalten versucht. Zynismus ist da wie dort das Thema. Aber die aktuelle Perspektive wirkt dennoch aufgepfropft: Der Bühnenbau stellt ein überdimensioniertes Fernsehgehäuse mit Lüftungsschlitzen dar, das sich wie ein Paravent auseinanderfalten lässt.

In der ästhetischen Wirkung erweist sich die Videokomponente dann einigermassen dürftig. Die auf TV-Geräten und der als Bildschirm fungierenden Leinwand zugespielten Bilder bieten über weite Strecke banale Zusatzinformationen zum Geschehen: Rigolettos Familienglück mit Frau und Baby Gilda, das Treppenhaus zu Rigolettos Wohnung. Wir sehen, wie es der Herzog mit Gilda treibt, und wenn ihr Herz blutet (das Hemd verfärbt sich), brodelt es auch rot in der Flimmerkiste. Szenisch stärker, wenn auch kaum von erschütternder Hellsicht ist die Fernsehmanie des Inszenierungsteams im letzten Akt, wo der bühnenbildnerische, im Zeitalter der Flachbildschirme übrigens antiquiert wirkende Fernsehrahmen wegfällt und durch ein schwebendes Podest ersetzt ist. Hier gibt es den Pop-Auftritt des Herzogs («La donna è mobile»), die Fotoblitze der Paparazzi-Meute als Gewitter und einen Show-Auftritt Sparafuciles, der als Hypnotiseur sein Unwesen treibt. Aber wenigsten muss Gilda somit nicht sterben, sondern kann belämmert den Notausgang nehmen, während Rigoletto im Sack wühlt. Er ist mit Videokassetten gefüllt, die ihm die Hände blutig machen. Wow!

Zum Eindruck der überambitionierten und übrigens im Herumschieben der Bühnenteile auch komplizierten Inszenierung gehört eine recht mittelmässige musikalische Ausstattung. An der Premiere fehlte unter der Leitung von Srboljub Dinic bis hin zu gröberen Missverständnissen bei Fermaten mancherorts die Präzision im Zusammenspiel von Ensemble und Orchester. Davide Damiani erwies sich als sehr präsenter, aber, zumal was die Intonation betrifft, stimmlich grobschlächtig agierender Rigoletto. Lambroula Maria Pappas als Gilda und Davide Sotgiu interpretierten ihre Partien sicher, aber flächig in Klang und Phrasierung, die Sopranistin dabei geschmeidiger als der Tenor. Körperhaft markant fügten sich etwas instabil Qin Du als Maddalena und gar wuchtend Carlos Esquivel als Sparafucile ins Quartett. In den teils betont schrecklichen Kostümen (Nina Lepiliana) schien auch so etwas wie die Persiflage eines Superstar-Castings die Quintesssenz des Abends werden zu wollen, wozu leider nur Verdis Musik zu wenig zum Schmunzeln verführte.